Assad ruft zu einem nationalen Dialog auf
Syriens Präsident auch zu neuer Verfassung bereit / EU will weitere Sanktionen verhängen
Nach drei Monaten Unruhen in Syrien war die dritte Rede von Präsident Baschar al-Assad am Montag mit großer Spannung erwartet worden. Die Straßen um die Universität, wo Assad sprach, waren schon am Morgen von Fahrzeugen geräumt worden, Sicherheitskräfte in Schlips und Anzug bezogen Stellung auf Dächern, in Hauseingängen und auf Straßenkreuzungen. Mittags war der Verkehr in der Umgebung der Universität weitgehend zum Erliegen gekommen.
Viele Straßen im Zentrum von Damaskus lagen wie ausgestorben, als Assad seine Rede nicht vor Studierenden, wie an der Universität eigentlich zu erwarten gewesen wäre, sondern mehrheitlich vor einem älteren, möglicherweise ausgesuchten Publikum begann. Aus Fenstern und Autoradios war die Stimme des Präsidenten zu hören, in Geschäften und Büros drängten sich die Menschen vor den Fernsehern. Assad verlas seine Rede im schwarzen Anzug und mit schwarzer Krawatte.
Anders als erwartet brachte die Rede keine bahnbrechenden Neuigkeiten. Assad äußerte gegenüber betroffenen Familien erneut sein Bedauern über die getöteten Zivilisten, Soldaten und Polizisten. Er verurteilte die »bewaffnet agierenden Kräfte der Opposition«, die Chaos und Zerstörung über Syrien bringen wollten und den legitimen Protest der syrischen Bevölkerung für ihre Ziele ausnutzten.
Diese Kräfte würden aus dem Ausland unterstützt, doch Syrien werde über seine Zukunft selbst entscheiden, bekräftigte Assad. Der Reformprozess sei im Interesse der Bevölkerung. Assad bekräftigte erneut den Willen der Regierung zu einem nationalen Dialog, der ein bis zwei Monate dauern solle und dessen Rahmenbedingungen – Teilnehmerkreis und Themen – von einem Komitee vorbereitet würden. Der Reformprozess solle in einem festen Zeitrahmen und rasch vollzogen werden, das gelte vor allem für die beschlossene Reform von Medien-, Parteien- und Wahlgesetz, so Assad. Parlamentswahlen könnten vermutlich im August stattfinden, auch die Verfassung müsse überarbeitet werden.
Erste Äußerungen fielen enttäuscht bis zornig aus. Der Präsident habe nichts Neues gesagt, sie habe sich mehr erwartet, sagte eine Gesprächspartnerin gegenüber ND. Ein Geschäftsinhaber bemängelte, dass Assad nicht mehr und konkreter auf bekannte Forderungen eingegangen sei. Die Wirtschaft liege am Boden, kritisierte er. Täglich verließen junge Männer das Land, um Arbeit in einem der Golfstaaten zu finden.
Syrische Oppositionelle riefen gestern einen Nationalrat aus, welcher die »syrische Revolution« führen soll. Dies gab der Sprecher dieses Rats, Jamil Saib, gestern bei einer Pressekonferenz an der syrisch-türkischen Grenze bekannt. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden eine Verschärfung der Sanktionen gegen Syrien beschließen. Das zeichnete sich am Montag am Rande von Beratungen der EU-Außenminister in Luxemburg ab. Kommentar Seite 4
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