Alles bleibt anders

Wie sich der schwarz-gelbe vom rot-grünen Ausstieg unterscheidet

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Atomausstiegskonzept der Bundesregierung hat einen Vorteil gegenüber dem rot-grünen Atomkonsens von 2002 auf: Es gibt ein echtes Ausstiegsdatum.

Die Bundesregierung drückt in der Energiepolitik aufs Tempo. Bis zur parlamentarischen Sommerpause soll der Atomausstieg unter Dach und Fach sein. SPD und Grüne haben grundsätzlich ein »Ja« zur Novelle des Atomgesetzes signalisiert. Beide Parteien verweisen darauf, dass das Urheberrecht für den Ausstieg ja bei ihnen liege.

Tatsächlich hat es den Anschein, als habe sich die schwarz-gelbe Bundesregierung an den zehn Jahre alten Vorlagen der rot-grünen Koalition orientiert. Denn beide Ausstiegskonzepte weisen Parallelen auf. Es gibt aber auch wesentliche Unterschiede.

Nach hartem Ringen hatten die Bosse der großen Stromkonzerne sowie die Bundesregierung im Jahr 2001 den sogenannten »Atomkonsens« unterzeichnet. Er sah im Kern die Befristung der Laufzeiten der damals noch 19 kommerziellen AKW auf 32 Jahre ab dem Beginn der Stromproduktion vor. Allerdings wurden keine fixen Abschaltdaten für die einzelnen Reaktoren festgelegt. Stattdessen sollten die AKW noch Reststrommengen von 2623 Terawattstunden erzeugen dürfen. Der letzte Meiler, das baden-württembergische AKW Neckarwestheim 2, sollte danach um das Jahr 2022 vom Netz gehen.

Bei dieser Regelung ging man von einem mehr oder weniger störungsfreien Volllastbetrieb der Kraftwerke aus. Aber die Regelung öffnete Tricksereien der Konzerne Tür und Tor. Sie drosselten die Leistung der alten und früher von Abschaltung bedrohten AKW oder ließen sie für Reparaturen länger als notwendig abgeschaltet. So brauchten Techniker im AKW Biblis Monate für das Kontrollieren und Nachziehen von Dübeln.

In den Zeiten des Stillstands oder reduzierter Leistung konnten die Betreiber zwar nicht so viel Atomstrom verkaufen. Sie kamen aber ihrem Ziel näher, möglichst alle Atomkraftwerke bis zu einem absehbaren Machtwechsel in Berlin vor der endgültigen Abschaltung zu retten. Das Kalkül ging auf – im vergangenen Herbst verlängerte die neue Bundesregierung die Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre. Mit Stade und Obrigheim wurden während der rot-grünen Regentschaft nur zwei sehr alte und sehr kleine AKW stillgelegt – und diese auch nicht wegen aufgebrauchter Strommengen, sondern weil sich anstehende Reparaturen für die Betreiber nicht mehr lohnten.

Ein weiterer Grund, weshalb AKW-Gegner den rot-grünen Atomkonsens als »Nonsens« beschimpften, war die Regelung zur Strommengenübertragung. Danach durften die Betreiber Kontingente zwischen den Reaktoren hin- und herschieben. Vorrangig galt das für die Übertragung von älteren auf neuere AKW, auf Antrag war aber auch das Gegenteil möglich. Bis zur letzten Bundestagswahl lieferten sich Atomkonzerne und der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in den Medien und vor Gericht einen regelrechten Kleinkrieg um die Zulässigkeit solcher Verschiebungen.

Im Prinzip hat die Bundesregierung nun wieder an die rot-grüne Kontingente-Regel angeknüpft. Sie reduzierte die Reststrommengen rechnerisch wieder auf 32 Jahre Laufzeit. Allerdings verkündete die Regierung mit dem Jahr 2022 ein festes Datum, an dem das letzte AKW ungeachtet eventuell noch nicht verbrauchter Kontingente abgeschaltet wird. Nach Intervention der Länder-Ministerpräsidenten ließ sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen den Widerstand der FDP sogar auf eine stufenweise Abschaltung der AKW ein. Der Stufenplan hat aber starke Schieflage. Sechs große Atomkraftwerke – Grohnde, Gundremmingen C, Brokdorf, Isar 2, Neckarwestheim 2 und Lingen – sollen noch mehr als zehn Jahre weiterlaufen und Strom sowie Atommüll produzieren.

Der wichtigste Unterschied zwischen schwarz-gelbem und rot-grünem Atomausstieg ist indes, dass die jetzige Bundesregierung die sieben ältesten Atomkraftwerke und den Pannenmeiler Krümmel sofort stilllegen will. Die Maßnahme erfolgte nach Beginn des Atomunfalls in Fukushima zunächst im Rahmen eines dreimonatigen Moratoriums. Der Entwurf für die Atomgesetznovelle legt endgültig fest, dass diese Meiler nicht mehr in Betrieb gehen sollen.

Eine Einschränkung gibt es aber: Beim aktuellen Ausstiegsszenario hat sich die FDP mit der Forderung durchgesetzt, einen oder zwei der älteren Meiler bis 2013 als sogenannte Kaltreserve im Stand-by-Modus zu fahren, um so auf tatsächliche oder behauptete Stromengpässe reagieren zu können.

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