Intransparenz lässt Kurse purzeln

Chinesische Unternehmen fallen nach Bilanzskandal in Ungnade

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Nordamerikanische Investoren flüchten aus chinesischen Aktien. Grund ist ein Bilanzfälschungsskandal rund um das Unternehmen Sino-Forest.

So stark und so schnell hat selten ein Unternehmen an der Börse Toronto an Wert verloren: Seit dem 2. Juni ist die Aktie von Sino-Forest um rund 90 Prozent abgestürzt. Der Börsenwert des chinesischen Unternehmens, das vor allem in der Waldwirtschaft tätig ist, sank um 4,3 Milliarden Dollar. Der Auslöser des Absturzes: Das Investmentunternehmen Muddy Waters in Hongkong hatte berichtet, dass Sino-Forest den Wert seiner Lagerbestände aufgeblasen hat. Einer der Verwaltungsräte von Sino-Forest ist übrigens Simon Murray, der neue Verwaltungsratspräsident des Schweizer Rohstoffhandelsriesen Glencore.

Die Nachricht griff wie ein Lauffeuer um sich. Lange hatten Investoren wie gebannt auf die Wachstumszahlen gestarrt und dabei die mangelnde Transparenz der Unternehmen außer Acht gelassen. Doch nun werden sie nervös. Ein guter Teil des Kursverlustes geht auf den Hedgefonds-Manager John Paulson zurück. Als er am Dienstag seinen Anteil von 14,9 Prozent aus der Firma zog, realisierte er einen Verlust von 500 Millionen Dollar. Am gleichen Tag setzte die Ratingagentur Fitch die Bonität von Sino-Forest auf Ramschniveau herab.

Sino-Forest wies die Vorwürfe von Muddy Waters zurück, ist aber Beweise für die Richtigkeit seiner Bücher bisher schuldig geblieben. Unternehmenschef Allen Chan erklärte, er könne die Identität der Firmen nicht offenlegen, über welche die angeblichen Mittel von Sino-Forest geflossen seien. Denn die Verbindung mit diesen Unternehmen sei ein Wettbewerbsvorteil, den man nicht aufgeben wolle.

Indes nehmen nicht nur die Analysten von Muddy Waters chinesische Unternehmen jetzt genauer unter die Lupe. Sie reagieren damit auf die zunehmende Angst von Anlegern, durch intransparente Firmen über den Tisch gezogen zu werden. »Das ist auch keine schlechte Sache, wenn die schlechten Unternehmen aussortiert werden«, heißt es von der Anwaltskanzlei Anslow & Jaclin in New York, die chinesische Unternehmen beim Börsengang in Nordamerika berät.

Mehrere Firmen wie der Küchengerätehersteller Deer Consumer Products oder der Brennstoffproduzent Sino Clean Energy haben bereits ihren Aktienkurs fallen sehen. Auch ihnen wurde vorgeworfen, den Wert ihrer Bestände aufgeblasen zu haben. Beide Unternehmen ebenso wie Sino-Forest kamen auf den nordamerikanischen Markt, indem sie Neuankömmlinge übernahmen, restrukturierten und sie als Plattform für ihre eigenen Ziele nutzten. Rund 150 chinesische Unternehmen sollen sich so eingekauft haben.

Die New Yorker Börse und die Technologiebörse Nasdaq haben den Handel mit den Papieren von rund einem Dutzend chinesischen Unternehmen ausgesetzt – und damit Investoren frustriert, die ihre Aktien vorerst nicht verkaufen können. Inzwischen beschäftigt sich auch die US-Börsenaufsicht SEC mit den Fällen. »Wir wollen, dass ausländische Unternehmen an die US-Börsen kommen können«, erklärte SEC-Chefin Mary Schapiro. »Aber wir wollen auch sicherstellen, dass US-Investoren alle Informationen erhalten, um die richtigen Investitionsentscheidungen treffen zu können.«


Lexikon

Die 1994 in New York gegründete Finanzfirma Paulson & Co. Inc. gehört zu den bekanntesten Hedgefonds-Gesellschaften. Ihr Gründer John Paulson machte sich besonders 2007/2008 in der Immobilienkrise der USA einen Namen, als er frühzeitig gegen den Markt wettete und dank des allgemeinen Kursverfalls Milliardengewinne machte. In den letzten Monaten verlor Paulson allerdings viel Geld. Seine Firma spekuliert mit den Vermögen reicher Privatleute, aber auch von institutionellen Investoren wie Pensionsfonds. ND

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