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Die Würde des Bundestags verletzt?
Dagmar Enkelmann, LINKE, über die Legitimität von Protesten im Plenum / Enkelmann ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag
ND: Eine große Mehrheit im Bundestag will Abgeordnete, die im Plenum etwa mit Schildern demonstrieren, härter bestrafen. Ihre Aktionen scheinen »gesessen« zu haben, wenn sie solche Reaktionen hervorrufen. Fühlen Sie sich bestätigt?
Enkelmann: Bestätigt fühlen wir uns eher durch Zustimmung, die wir von außerhalb bekommen haben. Beispielsweise dafür, dass wir im Plenum Bilder von Kunduz-Opfern gezeigt haben, nachdem ein Gedenken an diese Opfer von den anderen Fraktionen abgelehnt worden ist. Dass Union, FDP und SPD nun mit Ordnungsgeldern reagieren und einen Sitzungsausschluss bis zu 30 Tagen im Abgeordnetengesetz festschreiben, war von uns natürlich nicht gewollt. Offenbar wollen sie verhindern, dass solche Aktionen Bilder produzieren, die die Öffentlichkeit alarmieren.
Sanktionen drohen nun bei der Verletzung der »Ordnung oder der Würde des Bundestags«. Klingt, als hätten deutsche Spießer eine Hausordnung geschrieben.
Was ist die Würde des Hauses? Die Definition dessen ist völlig unbestimmt. Ich sehe die Würde durch Debatten verletzt, in denen sich Parlamentarier gegenseitig beschimpfen oder wenn in diesem Haus nicht berücksichtigt wird, welche Folgen politische Entscheidungen haben. All das beschädigt aus meiner Sicht die Würde des Bundestages viel mehr als Abgeordnete, die sich mit einem T-Shirt zum Protest gegen Stuttgart 21 bekennen. Zudem sind die Regelungen zum Ordnungsgeld willkürlich. Unter welchen Voraussetzungen, aus welchen Gründen und in welcher Höhe Ordnungsgeld verhängt wird, bleibt offen. Der Beschluss ist eine überzogene Reaktion. Er soll die LINKE disziplinieren. Dazu geht die Mehrheit des Bundestages verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Wege.
Das Demonstrationsrecht für Abgeordnete im Bundestag dürfte nicht in der Verfassung stehen.
Das nicht, aber das freie Mandat des Abgeordneten steht ausdrücklich in der Verfassung. Und das darf nicht durch eine Mehrheit eingeschränkt werden. Der Sitzungsausschluss bedeutet, dass die Stimmenverhältnisse im Parlament sich verändern. Man möge das Instrument einmal weiterdenken: So könnte man bei knappen Abstimmungen auf die Idee kommen, dass es besser wäre, die LINKE gezielt auszuschließen. Der Berichterstatter vom Verfassungsgericht Professor Broß teilt diese rechtlichen Bedenken. Im Zusammenhang mit unserer Klage gegen den Ausschluss von drei Abgeordneten wegen des Protests gegen Stuttgart 21 hat er erklärt, dass es nicht sein könne, dass die Mehrheit über den Entzug des Stimmrechts entscheidet und damit die politischen Mehrheiten des Bundestages verändert.
Wollen Sie gegen die Änderung des Abgeordnetengesetzes ebenfalls klagen?
Wir werden prüfen, ob wir bereits gegen das Gesetz klagen oder ob wir einen Fall abwarten, bei dem es angewendet wird.
Das heißt, die Linksfraktion will auch künftig nicht auf Protestaktionen im Plenum verzichten?
Das kann ich nicht versprechen. Auch das bleibt dem freien Mandat überlassen.
Bei linken, außerparlamentarischen Gruppen ist es üblich, Soli-partys zu veranstalten, wenn sie Bußgelder bezahlen müssen. Wäre das nicht was für die Linksfraktion?
Eine Soliparty könnte angesichts der etwas schwierigen Situation in der Fraktion durchaus kollektivbildende Wirkung haben. Sie bringen mich auf eine Idee.
Fragen: Ines Wallrodt
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