Haben wir Monopole?

  • Harry Nick
  • Lesedauer: 3 Min.
»Macht es einen Unterschied, ob nur ein oder zwei, drei marktbeherrschende Unternehmen die Preise diktieren?«
»Macht es einen Unterschied, ob nur ein oder zwei, drei marktbeherrschende Unternehmen die Preise diktieren?«

Natürlich nicht, antworten die Erfinder und Gralshüter der »Marktwirtschaft«. Als die neoliberale Schule der sogenannten Ordo-Liberalen nach dem Zweiten Weltkrieg die »Marktwirtschaft« aus der Taufe hob, sollte damit vor allem den antikapitalistischen Stimmungen in der Bevölkerung begegnet werden. Im Juni 1946 hatten sich in einem Volksentscheid in Sachsen wie in einer Volksbefragung im Dezember in Hessen jeweils über 70 Prozent der Befragten für die Enteignung der Konzerne und deren Überführung in öffentliches Eigentum ausgesprochen. In Ostdeutschland wurde auch so verfahren. Die westdeutsche Antwort hieß »Marktwirtschaft«. Marktwirtschaft war das Versprechen, dass Ballung wirtschaftlicher Macht durch Monopole verhindert würde. In Wahrheit war »Marktwirtschaft« der Rauchvorhang, hinter dem sich die Restauration der Konzernmacht vollzog. Alfred Krupp, im Nürnberger Prozess gegen die Nazi- und Kriegsverbrecher enteignet und zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, wurde nach drei Jahren entlassen und erhielt sein Vermögen zurück.

Der freie Wettbewerb sollte angeblich fortan die Wirtschaft regulieren. Und um jegliche Versuche von Einschränkungen zu unterbinden, wurden Gesetze gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlassen, über deren Einhaltung ein Bundeskartellamt wachen soll.

Natürlich sollen Wettbewerbsbeschränkungen bekämpft werden. Aber man darf auch daran zweifeln, was Politik und Behörden gegen das Verhalten wirtschaftsmächtiger Unternehmen auszurichten vermögen, selbst wenn sie es wollten. Schon Adam Smith, einer der Begründer des ökonomischen Liberalismus, vermerkte, dass Kaufleute sich nicht treffen, ohne Verschwörungen gegen die Allgemeinheit anzuzetteln, indem sie Preisabsprachen treffen. Aber diese Zeit des Kapitalismus »der freien Konkurrenz« ging Ende des 19. Jahrhunderts mit der Ausbreitung der Kapitalgesellschaften zu Ende. Das Monopol in Gestalt von Trusts, Konzernen, Syndikaten und Kartellen war für Lenin das Hauptmerkmal des Imperialismus. Was man heute auch gegen solche Theorie einwenden mag, die von Lenin aufgezeigte Zäsur in der Entwicklung des Kapitalismus ist unbestreitbar. Unter solchen Verhältnissen eine Rückkehr zu einem Kapitalismus des freien, vollen Wettbewerbs anzustreben, ist mehr als kühn. Aber die Marktwirtschaftsideologen schafften in der Tat die Monopole ab – indem sie den Begriff des Monopols änderten. Sie reduzierten ihn auf Fälle des Allein-Anbieters bzw. -Nachfragers. Und die gibt es so gut wie gar nicht. Gibt es mehrere marktbeherrschende Konzerne, so heißen die für die Marktwirtschaftler »Oligopole«.

Sprachlich mag das plausibel klingen; schließlich heißt »mono« »allein«. Aber ökonomisch? Macht es einen Unterschied, ob nur ein oder zwei, drei marktbeherrschende Unternehmen die Preise diktieren? Die brauchen nicht mal miteinander zu telefonieren, um sich auf Monopolpreise zu einigen.

Jüngst ließ das Kartellamt – was selten genug geschieht – seine Muskeln spielen und führte vor, wie Erdölkonzerne ihre Preise an den Tankstellen diktieren. Und was geschah? Nichts. Das Kartellamt sieht ja auch dem schamlosen Preisdiktat der Energiekonzerne tatenlos zu. Und es rührte sich nicht, als die »Treuhand« potenzielle ostdeutsche Konkurrenten westdeutscher Konzerne platt machte.

Der Tribut, den private Eigner mittels Monopolmacht der Allgemeinheit auferlegen, ist nur abzuschaffen, indem Monopole in demokratisch kontrolliertes öffentliches Eigentum überführt werden.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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