Netztrassen gehören in Bürgerhand
In Schleswig-Holstein wird die finanzielle Beteiligung an Stromnetzen diskutiert
Durch Martin Grundmanns Kopf geistert seit geraumer Zeit ein »I have a dream«, jene einst von Martin Luther King ausgesprochenen Worte, die Weltruhm erreichten. Diesen Bekanntheitsgrad genießt der Geschäftsführer der ARGE Netz mit Sitz in Breklum bei Husum noch nicht, doch seine Idee könnte im Zuge der propagierten Energiewende ein ähnliches Interesse hervorrufen. Er wünscht sich nicht nur eine Bürgerbeteiligung bei der Planung neuer Netztrassen, sondern auch in der Form von Anteilseigentum.
In Nordfriesland gibt es bereits einen ersten Bürgerwindpark, warum soll eine solche Beteiligung nicht auch bei der nun konkret geplanten »Westküsten-Stromautobahn« möglich sein, fragt man sich bei der ARGE Netz, einem Zusammenschluss von rund 200 Unternehmen aus der Branche der regenerativen Energieerzeugung. Dabei geht es um eine 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung von Niebüll bis Brunsbüttel mit geschätzten Baukosten von 200 Millionen Euro. Die Westküstenleitung soll dafür sorgen, dass die gewaltigen Mengen an Windstrom schneller ins Landesinnere, in diesem Falle zum Umspannungsknotenpunkt nach Brunsbüttel transportiert werden. Mangels Leitungskapazität bleiben die Windmüller bereits jetzt allzu häufig auf ihrem Strom sitzen. Das unter CDU-Regie stehende Kieler Wirtschaftsministerium drängt zur Eile und möchte bereits 2015 mit dem ersten Spatenstich beginnen. Bis dahin soll das erforderliche Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein.
Um einmal auszuloten, wie die neuartige Investorenkonzeption überhaupt funktionieren könnte, hatte die ARGE Netz jetzt zu einer Expertentagung eingeladen. Selbst eine Vertreterin der Bundesnetzagentur ist erschienen, wollte zu dem alternativen Finanzierungsmodell aber kein Urteil abgeben, zumal auch europarechtliche Aspekte zu beachten seien. Neben zahlreichen Netz-Fachleuten fehlte aber ein entsprechender Jurist, und so blieb die ARGE-Idee doch ein wenig abstrakt. Laut Grundmann hätten Banken unterdessen signalisiert, dass sie an einer Zusammenarbeit interessiert seien, würde das Projekt über private Anlagefondszeichnungen und Gesellschafteranteile in die Realisierungsphase gehen.
Für Grundmann kann die Anlagemöglichkeit eine vernünftige Altersversorgung sein – finanziell und moralisch sowieso. Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Detlef Matthiessen, wagt bereits die Prognose einer vierprozentigen Rendite.
Auf der Fachtagung wurde das ehrgeizige Ziel 2015 angezweifelt. Das Planungsrecht war bis dato so sperrig, da würde das am Freitag im Bundesrat zur Verabschiedung anstehende Netzausbaubeschleunigungsgesetz womöglich noch gar nicht greifen, meinten die Skeptiker. Für die Deutsche Umwelthilfe begrüßte Peter Ahmels am Regierungsentwurf, dass eine Bürgerbeteiligung künftig in einem viel früheren Stadium gewährleistet sei.
Von den Netzbetreibern Tennet und E.on, aber auch vom Verband der Elektrotechnik und Elektronik wurde darauf hingewiesen, dass die vielerorts ungeliebten Hochspannungsleitungen immer noch die kostengünstigere Variante im Vergleich zu den Erdkabeln sei, etwa auch, wenn Reparaturen anfallen würden.
In Schleswig-Holstein rechnet man bereits in den nächsten fünf Jahren mit 9000 Megawatt an installierter Leistung durch Onshore-Energie. Schwerpunkte bilden dabei die Regionen Nordfriesland, Dithmarschen, der Kreis Schleswig-Flensburg sowie der Raum Ostholstein.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.