Prager Koalition verspielt Vertrauen

Ein Jahr im Amt – ein Jahr im Streit

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Aureliusz M. Pedziwol, Prag

Die tschechische Regierung – seit nunmehr einem Jahr am Ruder – besteht noch. Mancher behauptet, das sei ihr größter Erfolg, denn in der Dreiparteienkoalition war man sich im vergangenen Jahr selten einig.

Die streitsüchtige Prager Dreierkoalition aus der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) um Premier Petr Necas, der Partei TOP 09 des Außenministers Karel Schwarzenberg und den Öffentlichen Angelegenheiten (VV) des inzwischen schon ehemaligen Innenministers Radek John wurde am gestrigen Mittwoch exakt ein Jahr alt. Ihre Wähler hatten anfangs große Hoffnungen in diese Regierung gesteckt. Von den konservativen Parteien ODS und TOP 09 erwarteten sie mehr Entschiedenheit bei der Sanierung des Staates, vom kleineren Partner VV mehr Druck im Kampf gegen die Korruption, wie ihn die Partei Radek Johns vor den Wahlen versprochen hatte.

Stattdessen wurden die Wähler Zeugen heftiger Streitigkeiten in der Koalition, die zwar bisher stets mit einem Kompromiss endeten, aber einen unangenehmen Nachgeschmack hinterließen. Immerhin lebt die Regierung noch. Mancher Tscheche sagt boshaft, das sei ihr größter Erfolg.

So hart urteilt – jedenfalls öffentlich – nicht jeder. Petr Dufek, Volkswirt der Tschechoslowakischen Handelsbank AG (CSOB), des größten tschechischen Geldinstituts, bewertet das erste Jahr der Koalition im Interview nur mit einem kleinen Minus. Seufzend fügt er jedoch hinzu: »Aber ich habe mehr erwartet.« Vacláv France von der tschechischen Niederlassung der Raiffeisenbank ist noch milder gestimmt: »Die Zeit reichte nicht für mehr«, sagt er auf Anfrage.

Dufek hatte erwartet, dass die Rechtsregierung rasch mit Reformen der Sozial-, Renten- und Gesundheitssysteme sowie des Schulwesens beginnt. »Sehr viel in diese Richtung hat sich jedoch nicht bewegt«, klagt er. Wenigstens sei es der Koalition gelungen, den Staatshaushalt für 2011 zusammenzustellen. Der wird mit einem Defizit von 135 Milliarden Kronen (1,25 Milliarden Euro) um 30 Milliarden Kronen weniger verlustreich als ursprünglich geplant. Die Regierung reduzierte vor allem die Löhne im öffentlichen Dienst um zehn Prozent. Selbst Bankier France sieht die Schattenseite: »Einerseits hat es einen positiven Einfluss auf das Defizit gehabt, anderseits hat es jedoch den Konsum eingeschränkt.« Niedrigere Gehälter im Haushaltssektor haben auch die Löhne im Privatsektor gedrückt. Und dazu wurden die Sozialausgaben gekürzt.

Während Gewerkschafter protestieren, hofft CSOB-Volkswirt Dufek, dass es der Regierung gelingt, das Budget unter Kontrolle zu halten. Er wartet zudem auf eine Schritte im Steuerbereich. Das System sei kompliziert und undurchsichtig. Also sollten Ausnahmeregelungen gestrichen werden. Auch die »große Rentenreform« müsse endlich kommen. »Seit 15 Jahren wird nur davon gesprochen«, bemängelt der Bankier.

Derweil hat die Regierung bei der Bevölkerung fast sämtliches Vertrauen verspielt, das sie vor zwölf Monaten genossen haben mag. Mit ihrer deutlichen Mehrheit von 118 der 200 Sitze im Parlament könnte sie Reformen ungeachtet dessen durchsetzen. »Noch muss sie ja nicht an die kommenden Wahlen nicht denken«, bemerkt Dufek ironisch.

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