Kauft nicht bei Lieberman …
... kauft bei Uri Avnery! Nicht bei Ehud Barak, aber bei Jitzchak Rabin. Nicht bei Golda Meir, aber bei Nahum Goldmann. Nicht bei Mosche Dayan, aber bei Martin Buber. Nicht bei Zipi Livni, aber bei Felicia Langer. Nicht bei David Ben-Gurion, aber bei Mosche Scharett. Nicht bei Wladimir Jabotinsky, aber bei Chaim Weizmann. Nicht bei Menachem Begin, aber bei Hannah Arendt. Nicht bei Benjamin Netanjahu, aber bei Daniel Barenboim. Allgemein gesagt: Unterstützt nicht den skrupellosen Nationalismus! Sondern unterstützt die Juden, die sich einsetzen für einen Ausgleich Israels mit seinen arabischen Nachbarstaaten und für die Emanzipation der Palästinenser von ihren israelischen Besatzern!
Wenn Deutsche sich so positionieren – und in der Tat ist dies laut Umfragen die Mehrheitsmeinung in der EU und auch in Deutschland –, dann rufen die jüdischen Nationalisten: »Das ist Antisemitismus! Man gönnt dem ›jüdischen Volk‹ nicht seinen Nationalstaat!«
Aber kann man den Spieß nicht auch umdrehen? Ist nicht Unterstützung der Nationalisten Ausdruck von Antisemitismus? Denn ist es etwa judenfreundlich, dass deutsche Politik von rechts bis links Israel mit seiner Vertreibung und Drangsalierung der Palästinenser gewähren lässt, obwohl dies den Zorn der ganzen Welt auf das Judentum lenkt? Ist es judenfreundlich, dass deutsche Politik somit 70 Jahre nach der Ausrottung des deutschen Judentums nun auch noch das geistige Erbe des deutsch-jüdischen Humanismus eines Moses Mendelsohn, eines Martin Buber, eines Leo Baeck für unwichtig erklärt?
In Wahrheit geht es aber nicht um Antisemitismus, sondern um Recht und Unrecht. Häufig hört man: »Wir als Deutsche können uns nicht einmischen, Sie verstehen schon ...« Aber tatsächlich haben sich Deutschland und Europa längst eingemischt! Das Zarenreich und das mörderische Nazi-Deutschland haben Europas jüdische Minderheit vertrieben, und ein Teil davon hat sich dann eben in Großbritanniens »Mandatsgebiet« Palästina, mitten in Arabien, angesiedelt. Und deswegen schlägt die Art und Weise, wie Israel die Bevölkerung Palästinas behandelt, auf Europa zurück: Zu Recht machen uns Araber und mit ihnen die Dritte Welt für die israelischen Ungerechtigkeiten mitverantwortlich.
Deutsche Politiker sagen dies auch – allerdings erst dann, sobald sie nicht mehr im Amt sind. Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und 24 andere europäische Ex-Politiker haben am 2.12.2010 an die EU-Spitzen geschrieben und das klargemacht, wofür ich hier mit »Kauft nicht bei Lieberman!« plädiere (dem israelischen Außenminister, der in den besetzten Gebieten wohnt): Die EU solle »ein Ende machen mit dem Import von Siedlungsprodukten, die im Widerspruch zu EU-Richtlinien als israelisch vermarktet werden. Wir halten es für schlicht unerklärlich, dass solche Produkte immer noch Handelsprivilegien … genießen.« Denn »wie jeder andere Staat sollte Israel für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden.«
Wie jedes Mitglied der menschlichen Gemeinschaft, ob groß oder klein, braucht Israel Struktur, Sicherheit, Regeln und Grenzen. Die anerkannten Grenzen Israels sind von 1948. Außerhalb dieser Grenzen ist besetztes Gebiet. Das ist nicht Israel. Auf Waren von dort darf nicht »Israel« stehen. Um Israel zur Einhaltung dieser Regeln zu bringen, sollten daher Waren nicht gekauft werden, bei denen Zweifel über ihre Herkunft bestehen. Es ist an Israel, die Herkunft klar auszuzeichnen und damit einen solchen Boykott, der Recht, Gesetz und EU-Beschlüsse umsetzt, unnötig zu machen.
Wer dies zu rabiat findet, sei daran erinnert, dass die deutsche Regierung mit einer Gnadenlosigkeit sondergleichen seit fünf Jahren einen Boykott gegen die 2006 gewählte palästinensische Administration durchzieht. Man mag für »Kauft nicht bei Hamas« Gründe finden – obwohl Hamas nicht nur Täter, sondern vielmehr auch Opfer in diesem Konflikt ist –, für »Kauft nicht bei Lieberman« sind die Gründe besser: Was Israel den Palästinensern antut, tut es mit Billigung des Westens. Dies ist unser westliches Unrecht. Grund genug für uns Europäer, um klarzumachen: Dies soll sich ändern!
Langfristig: Bomben auf Gaza haben den Konflikt nicht beendet, und das werden auch nicht Bomben auf Teheran oder Tel-Aviv. Aber der Beginn eines möglichen Lösungswegs ist, dass Israel die Palästinenser um Verzeihung für Vertreibung und Enteignung von 1948 bittet. Auf diesen Weg sollte die Zivilgesellschaft unsere Politiker führen. Ein Boykott israelischer Waren aus den besetzten Gebieten ist dafür ein guter Anfang.
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