Tamilen erobern Gemeinderäte
Erste Kommunalwahlen seit dem Bürgerkrieg in Sri Lanka
Zwei Jahre nach der Zerschlagung der militanten Organisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), die für einen Separatstaat auf der Insel gekämpft hatte, vollzog Sri Lanka am Wochenende einen weiteren Schritt in Richtung Normalisierung. Landesweit fanden Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen statt. Das Interesse richtete sich besonders auf die Gebiete der tamilischen Minderheit im Norden. Dort betraten die Bürger erstmals nach rund 25 Jahren wieder ein Wahllokal. Während des Bürgerkriegs, der 1983 begann und erst im Mai 2009 endete, fanden keine Gemeinderatswahlen statt.
In der Nordprovinz errang die Tamilische Nationale Allianz (TNA) am Sonnabend erwartungsgemäß einen deutlichen Sieg. Sie hatte für 25 Räte ihre Kandidaten nominiert und gewann in 18 davon die Mehrheit. Lediglich drei Gemeinden gingen an die regierende Vereinte Volksfreiheitsallianz (UPFA) von Staatspräsident Mahinda Rajapakse. TULF, eine andere tamilische Partei, setzte sich zweimal durch.
Das Ergebnis bedeutet für die TNA, die als parlamentarische Stimme der Befreiungstiger agierte, einen enormen Prestigegewinn. Sie bestätigte ihren Anspruch, die wahre Vertreterin der tamilischen Minderheit und die wichtigste Verhandlungspartnerin der Regierung im Ringen um eine politische Regelung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen singhalesischer Mehrheit und tamilischer Minderheit Sri Lankas zu sein. Colombo muss die TNA als Gesprächspartner nun ernster nehmen und konsequenter an einer friedlichen Lösung arbeiten.
Die TNA tritt für Selbstverwaltung in den Tamilengebieten ein. Ihre Forderung, die Kontrolle über die Polizei der Provinz sowie über Landbesitz auszuüben, wurde von der Rajapakse-Regierung bereits zurückgewiesen. Sicherheitsangelegenheiten, so der Präsident, müssten in den Händen der Regierung bleiben. Gegenüber der indischen Zeitung »The Hindu« erklärte er unverbindlich, den Gemeinderatswahlen werde die Wahl zum Provinzrat folgen. Er habe seine Partei beauftragt, ein parlamentarisches Komitee zu bilden, das sich mit einer politischen Lösung des Konflikts sowie mit Ergänzungen der Verfassung befasst. Was dieses Komitee empfehle, werde er akzeptieren, bevor die Vorschläge ins Parlament gingen.
Mehr als zwei Jahre nach dem Ende des Krieges zeichnet sich indes keine baldige Lösung des Konflikts ab. Der Präsident vermied es, irgendeinen Zeitrahmen zu nennen. Für Spannungen und Misstrauen sorgen nach wie vor das Problem Wiederansiedlung und Wiedereingliederung von Flüchtlingen und Inlandsvertriebenen wie auch die übermächtige Militärpräsenz im Norden. Auch die Weigerung der Regierung, sich ernsthaft mit Vorwürfen zu befassen, die Streitkräfte hätten sich in den letzten Kriegsmonaten 2009 zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht, beeinträchtigt das Verhandlungsklima.
Wahlkommissar Mahinda Deshapriya äußerte sich insgesamt zufrieden mit dem Wahlablauf landesweit, obwohl es einige Zwischenfälle gab, bei denen ein Bürger getötet wurde. Die regierende UPFA dominiert nach offiziellen Angaben insgesamt 250 von 355 örtlichen Volksvertretungen.
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