Geliebte Besessenheit

Ein Abend, drei Choreografen, fünf Tänzer: Dock 11 zeigt Hausproduktion »Inland«

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Abend, drei Arbeiten, fünf fantastische Tänzer. Gewissermaßen aus sich selbst heraus hat das Dock 11 diesen Abend kreiert. Die drei beteiligten Choreografen kennen sich aus dem Profi-Training des Docks. Als einer von ihnen, Michael Löhr, den Aufführungssaal der alten Fabrikhalle in der Kastanienallee für ein neues Stück angeboten bekam und selbst nicht eine choreografische Idee über Gebühr ausdehnen wollte, lud er kurzerhand seine Kolleginnen Stella Zannou und Maya Lipsker zur Präsentation eigener Stücke ein.

Die große thematische Klammer des Abends sind die Verhältnisse zwischen inneren und äußeren Welten. Stella Zannou liefert in »L.O.L.A«. (Loved Obsession Of A Loved Aggression) eine neue Version von der Schönen und dem Biest ab. Ein Affenkörper thront einem Buddha gleich auf einem Turm, zu dessen Füßen sich Zannou in leidenschaftliche, fast schon in Richtung Selbstverletzung driftende Bewegungen wirft. Expressiv ist die eine, stumm und bewegungslos der andere. Unklar bleibt, welche der beiden Figuren der Traum (oder Alptraum) der jeweils anderen ist, also wer wen träumt und wer von wem geträumt wird. »L.O.L.A.« stellt eine gewissermaßen auf Zeit und Bewegung applizierte »seltsame Schleife« des Künstlers M.C. Escher dar.

Eine Art digitalen Tanz produziert Maya Lipsker gemeinsam mit Shi Pratt. Beide Frauen, mit blauen Kittelkleidern angetan, entwickeln ausgehend von minimalsten, abgehackten Bewegungen ein neues Vokabular, mit dem sie verästelte Muster beschreiben, denen dennoch immer wieder die simplen Grundstrukturen des 0-1 innewohnen.

Diese starre Struktur von »Girl Bites Hand« wird jedoch in einer beeindruckenden Ausdruckskraft der Bewegungen aufgeladen. Michael Löhr schließlich misst in

»Inland« gemeinsam mit der famosen Andrea Schiefer den Raum von Verletzung und Gewalt zwischen Männern und Frauen aus. Den Textfetzen, die beide in Mikrofone sprechen, kann man mühsam entnehmen, dass die Gewalt einer mangelnden Verständigung entspringt. Die Atmosphäre, die der schlaffe weibliche Körper (Schiefer), der wie eine nur von Schwerkraft, äußerer Krafteinwirkung des Mannes und Widerstand des eigenen Gewebes bewegte Wasserleiche wirkt, und der dynamische und aggressive, dabei sich selbst überwältigende und so immer wieder ins Stocken bringende männliche Körper (Löhr) erzeugen, ist bemerkenswert dicht und zuweilen gespenstisch. Ein Übriges steuern harte Brüche in Musik und Lichtstimmungen bei.

Der Abend offeriert drei akzentuierte Choreografenhandschriften. Vor allem aber beeindruckt er durch die Qualität der fünf Tänzer (Ringo Röthkes Qualitäten waren wegen der nur unterstützenden Rolle für Zannou in »L.O.L.A.« kaum zu werten).

Am Wochenende wird als Special Guest noch eine Arbeit von Annika Pannitto ins Programm genommen. Für sie verzichten am Samstag Zannou und am Sonntag Lipsker auf die Präsentation ihres Stücks. Das Dreierprogramm an sich ist indes ein gutes Format zur Vorstellung nicht-abendfüllender Stücke.

Dock 11, Kastanienallee 79, Noch an diesem Wochenende jeweils 20.30 Uhr. Tickets unter: 030 4 48 12 22

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