Aus der Pampa auf Rapsfelder
Aus einer Farm entlaufene Nandus breiten sich in Mecklenburg aus
34 Nandus hat der Ökologe Frank Philipp im Frühjahr in Nordwestmecklenburg und dem angrenzenden schleswig-holsteinischen Kreis Herzogtum Lauenburg gezählt. »Die Vögel fühlen sich hier mittlerweile heimisch«, sagt Philipp, der im Auftrag des Umweltministeriums Mecklenburg-Vorpommerns die Nandus beobachtet.
Die meisten Exemplare hat Philipp in einem rund 70 Quadratkilometer großen Gebiet im Biosphärenreservat Schaalsee nachgewiesen. Dort streifen die Nandus in kleinen Trupps über die Felder, picken Rapsblätter, Gräser- und Kräutersamen und schnappen gelegentlich auch mal eine Heuschrecke. Natürliche Feinde müssen die erwachsenen, bis zu 1,40 Meter großen und 25 Kilogramm schweren Vögel nicht fürchten. Ihre Küken allerdings können Seeadler und Fuchs zum Opfer fallen.
Lediglich das Wetter kann den unfreiwilligen Einwanderern zu schaffen machen. »In den beiden vergangenen Wintern starben viele junge Nandus«, sagt Philipp. Deshalb schrumpfte der Bestand von rund 120 auf derzeit 34 Individuen.
Doch während der Strauß aus der Pampa Touristen erfreut, beschweren sich die ersten Landwirte. Auf mehr als 30 000 Euro schätzte ein Bauer aus der Gemeinde Hornstorf bei Lübeck den Schaden, nachdem Nandus sein Rapsfeld kahl gefressen hatten, wie er Anfang Juni gegenüber lokalen Medien beklagte. Das zuständige Landwirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern sieht aber keine Möglichkeit für eine Entschädigung, weil der Nandu keine einheimische Tierart ist, wie Behördensprecherin Marion Zinke erklärt. Die Ertragsausfallrichtlinie für Schäden durch Großvogelarten bezieht sich für Ausgleichszahlungen ausdrücklich auf heimische Vögel wie Kormorane, Kraniche oder Wildgänse.
Das Bundesamt für Naturschutz, Deutschlands oberste Bundesbehörde in Sachen Naturschutz, sieht die Sachlage anders. »Der Nandu hat sich seit dem Jahr 2000 schon über mehrere Generationen in freier Natur erfolgreich und ohne menschliche Hilfe fortgepflanzt«, sagt Stefan Nehring, Experte für gebietsfremde Arten beim Bundesamt. Damit gelte der Nandu gemäß Bundesnaturschutzgesetz als heimische Art.
Mecklenburg-Vorpommern will den Neubürger fürs erste weiter beobachten lassen, denn noch ist wenig über negative oder positive Auswirkungen der neuen Tierart auf das Ökosystem bekannt. Auch Stefan Nehring sieht noch viele Wissenslücken: »Es fehlen wissenschaftliche Daten, ob die Vögel beispielsweise andere bodenbrütende Tierarten vertreiben oder die Jungtiere viele Insekten fressen.«
Nicht in Südamerika, sondern in einem mecklenburgischen Getreidefeld: Einem Züchter entlaufende Nandus wandern ostwärts.
Foto: ZB/Jens Büttner
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.