Peking hebt den Mahnfinger

Internationale Aufsicht für Dollar gefordert

  • Georg Ackermann, Singapur
  • Lesedauer: 3 Min.
China geht mit den USA nach deren Herabstufung durch die Ratingagentur Standard & Poor's hart ins Gericht. Der größte Gläubiger der USA befürchtet eigene Verluste. Erneut werden Stimmen laut, die eine Abkehr vom Dollar als Leitwährung fordern.

Die Nervosität beim größten Gläubiger der Vereinigten Staaten steigt sichtlich. Ein am Wochenende veröffentlichter Kommentar der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua kommt schon fast einer Abrechnung gleich. »Die Tage, in denen der hoch verschuldete Onkel Sam sein im Ausland geborgtes Geld so einfach verplempern konnte, sind mit dem Verlust der AAA-Note am Freitag gezählt«, schreibt Xinhua. China habe jetzt das Recht, eine Lösung des strukturellen Schuldenproblems zu fordern, um die Sicherheit seiner Dollaranlagen zu garantieren.

Insgesamt hat das Land 1145 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen gebunden. Von den 3,2 Billionen Dollar an Devisenreserven wurden gut zwei Drittel in der US-Währung angelegt. »Das Geld, das wir verdient haben, ist zu einer Last geworden«, heißt es in der South China Morning Post.

Xinhua hebt nun belehrend den Zeigefinger: »Um seine Schuldenabhängigkeit zu heilen, müssen die USA wieder zum gesunden Menschenverstand zurückfinden und erkennen, dass man im Rahmen seiner Verhältnisse leben soll.« Die Ausgaben für den gigantischen Militärapparat sollen zurückgefahren und die aufgeblähten Kosten für das Sozialwesen unter Kontrolle gebracht werden. Wenn dies nicht geschehe, sieht die Agentur weit verheerendere Kürzungen im Kreditrating als gegeben. »Neue Turbulenzen am Finanzmarkt werden uns schließlich alle heimsuchen«, so die Prophezeiung.

China diskutiert bereits seit geraumer Zeit mögliche Wege aus der Dollarfalle. Yu Yongding, ein früheres Mitglied der Zentralbank und dort für die Geldpolitik mitverantwortlich, ist einer der bedeutendsten Trommler für eine Abkehr von der US-Währung. »Es besteht die Gefahr, dass wir unsere Lektion nicht gelernt haben«, schreibt er in einem Gastbeitrag für die Financial Times. Eine Abstufung der USA oder sogar ein Verzug bei der Schuldenrückzahlung bedeute hohe Verluste für das Land. »Die Zeit ist gekommen, dass wir unsere Abhängigkeit vom Dollar beenden.«

Yu weist darauf hin, dass die Volksrepublik bereits Maßnahmen eingeleitet habe, um das Anwachsen der Dollarreserven zu reduzieren. So solle eine stärkere Stimulierung der Inlandsnachfrage den Handelsbilanzüberschuss verringern. Peking lässt auch den starken Yuan mehr und mehr aufwerten. Dies galt lange Zeit als Tabu, weil die Währungspolitiker nicht ihrer Exportwirtschaft schaden wollten. Außerdem werden Projekte forciert, um die chinesische Währung für den internationalen Handel attraktiv zu machen. Sieben Prozent des Außenhandels werden bereits auf diese Weise abgewickelt.

»Es mag vielleicht fünf bis zehn Jahre dauern, bis der Renminbi den Status einer Reservewährung einnehmen kann«, sagt Stuart Gulliver, Chef der Hongkong and Shanghai Banking Corporation, der sechstgrößten Bank der Welt, über die chinesische Währung. Viel hängt davon ab, wie streng es China mit seinen Kapitalkontrollen nimmt. Internationale Investoren spekulieren auf eine weitere Aufwertung, finden Wege, diese Beschränkungen zu umgehen und legen ihr Geld verstärkt im chinesischen Währungsraum an. Die Inflationsrate stieg dort im Juni um 6,4 Prozent, die Zentralbank hob die Zinsen bereits zum dritten Mal.

Immer beliebter werden auch in Yuan notierte Anlagen, die verstärkt in Offshorezentren wie Hong Kong und Singapur angeboten werden. 86 Milliarden Dollar schwer ist dieser Markt bereits. Jaspal Singh Bindra von der Standard Chartered Bank meint dazu: »Die chinesischen Behörden sind begeistert von der Entwicklung.« Er könne sich über mangelnde Unterstützung von dieser Seite nicht beklagen.

Die Agentur Xinhua schlägt in ihrem Artikel sogar noch radikalere Maßnahmen vor: »Wir brauchen eine internationale Aufsicht über die Ausgabe von neuen US-Dollar.« Solange die Weltwirtschaft noch von einer einzigen Währung abhängt, bleibe keine andere Option, um die Katastrophe abzuwenden. Die Amerikaner jedenfalls sollen sich einer tiefen Gewissensprüfung unterziehen, wie sie dem finanziellen Abgrund entgehen wollen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -