»Kreuzritter« wittern im Chaos ihre Chance
Rechte English Defence League nutzt Gewaltausbrüche in Großbritannien, um sich zu etablieren
Gewöhnlich flattern ihnen große Banner – ein Kreuzritterschild mit Sankt-Georgs-Kreuz – voran, wenn sie in großen Formationen durch die Städte marschieren. Seit einigen Tagen sind nach Angaben der EDL mehr als tausend ihrer Anhänger in kleinen mobilen Patrouillen an den Brennpunkten im Königreich unterwegs, um die vorwiegend jugendlichen Randalierer und Plünderer zu jagen.
In der Hauptstadt habe sich die EDL vor allem in den Stadtteilen Enfield und Eltham als »Verteidiger der Gemeinde präsentiert«, berichtet Liz Fekete, Leiterin des Institute of Race Relations in London. In Eltham endete die Selbstjustiz-Offensive der EDL in einer Straßenschlacht mit der Bereitschaftspolizei.
Die EDL wurde 2009 in Luton als »Verteidigungsliga« der britischen Kultur gegen eine angebliche Islamisierung der westlichen Welt gegründet. Viele Anhänger der EDL rekrutieren sich aus Mitgliedern und Sympathisanten der rechtsextremen British National Party und Fascho-Hooligan-Gruppen. Die EDL vertritt radikal neokonservative Positionen. Sie versteht sich als Unterstützer der britischen Armee und wirbt aggressiv für den »War on Terror«.
Sie ist nach militärischem Vorbild streng hierarchisch organisiert. Ihr Anführer ist der 28-jährige Sonnenstudio-Betreiber Stephen Lennon. Ihre Ortsgruppen heißen »Divisions«. In ihren Reihen finden sich viele ehemalige Irak- und Afghanistan-Kämpfer.
Die Organisation, die von dem IT-Millionär und prominenten Islam-Hasser Alan Lake finanziell unterstützt wurde, ist seit ihrer Gründung in atemberaubender Geschwindigkeit gewachsen. An den fast wöchentlich organisierten Aufmärschen der EDL, die mittlerweile in mehreren Städten Großbritanniens gleichzeitig stattfinden, nehmen regelmäßig zwischen einigen hundert bis zu 4000 Anhänger teil. Auf Facebook zählt die EDL über 100 000 Freunde.
Als wenige Tage nach dem Massaker in Norwegen bekannt wurde, dass der mutmaßliche Täter Anders Behring Breivik zu ihren Bewunderern gehört und mit Hunderten ihrer Mitglieder Facebook-Freundschaften unterhielt, geriet die EDL ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. »Das Innenministerium muss die EDL formal als extremistische Organisation einstufen«, forderte Nick Nowles, Chefredakteur von Großbritanniens bekanntestem Antifa-Magazin »Searchlight«.
Die Krawalle sind für die EDL-Führung offenbar ein willkommener Anlass, um das arg ramponierte Image aufzupolieren. »Bitte kontaktiert eure Divisionsführer und regionalen Organisatoren, um zu erfahren, wie ihr helfen könnt«, heißt es in einer Verlautbarung auf der offiziellen EDL-Internetseite, die wie ein Einberufungsbefehl klingt. »Wir hoffen, das Geschäftsleben durch starke physische Präsenz sichern und Unruhestifter davon abhalten zu können, sich in unseren Städten zusammenzurotten.« EDL-Chef Lennon führt sich auf wie der Befehlshabende eines Spezialkommandos: »Wir werden diese Krawalle stoppen – die Polizei ist augenscheinlich nicht dazu in der Lage.«
Offenbar will sich hier der Bock zum Gärtner machen: Lennon ist wegen Körperverletzung an Polizeibeamten vorbestraft. Bei den Aufmärschen der EDL kommt es regelmäßig zu Angriffen auf Ordnungshüter und linke Gegendemonstranten. Geschäfte und Restaurants arabischer Einwanderer werden demoliert. Selbst vor gewaltsamen Entschleierungen muslimischer Frauen schrecken ihre Anhänger nicht zurück.
In den Internet-Foren diskutieren EDL-Sympathisanten bereits seit einigen Tagen mehr oder weniger offen die Möglichkeit, das Chaos in den Städten auszunutzen, um Moscheen anzugreifen.
Aber die Moscheen würden – ebenso wie die kleinen Läden von arabischen oder asiatischen Einwanderern – von den Anwohnern in den Armutsquartieren, die sich organisiert hätten, gut bewacht, nachdem sich herausgestellt habe, dass die Polizei praktisch nur einflussreiche Großunternehmer schütze, sagt Liz Fekete. »In der Bevölkerung gibt es große Sympathie für Migranten aus den unteren Schichten, die unter den Unruhen zu leiden haben. Die EDL wird dumm dastehen, falls sie versuchen sollte, die Stimmung anzuheizen.«
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