Insel im Finanzmarkt-Sturm
Auch Zypern kämpft mit den Folgen einer geplatzten Immobilienblase
Die Strandstreifen zwischen Pólis und Látsi im Westen Zyperns sind gesäumt von teuren Villen und Apartmentanlagen. In großem Stil wurde hier in den letzten Jahren investiert. Nun hängen schlaffe Fahnen und Transparente im Wind, die Immobilien mit drei und mehr Schlafzimmern anpreisen. Das Interesse ist verhalten, den Bau- und Investmentunternehmen bläst ein starker Wind ins Gesicht. Nach Jahren des Wachstums hat der Tourismussektor mehr und mehr zu kämpfen.
Im Westen der Insel, wo der Individualtourismus stärker vertreten ist, sind die Einbußen besonders sichtbar. Hunderte von Sonnenschirmen und Liegen warten am Strand auf Besucher. Nur am Wochenende, wenn die Zyprer selbst kommen, ändert sich das Bild etwas. Dies hat Folgen: »Mehrere Souvenirläden werden nach dieser Saison schließen«, berichtet Elvira Holm, eine Deutsche, die vor 17 Jahren auf die Insel gezogen ist. Auch die Gastronomie stöhnt unter dem Mangel an Besuchern, nicht nur im Westen der Insel. Selbst in Limassol und Larnaca läuft das Geschäft mit den sonnenhungrigen Touristen aus Großbritannien, Deutschland und Co. nicht so rund wie früher. »Die Lage auf der Insel ist alles andere als rosig«, meint Christos Kamides, der in der Tourismusinformation der Hauptstadt Nikosia arbeitet. »Die Explosion des Munitionsdepots und die daraus resultierende Zerstörung unseres wichtigsten Kraftwerks haben das internationale Vertrauen in unsere Wirtschaft und Regierung gedämpft«, klagt er.
Dies stellt ein großes Risiko für die Inselwirtschaft und deren Finanzsektor dar. Das Wachstum ist bereits rückläufig. Zyperns Bankensektor hat Kapital aus aller Welt auf die Insel gelockt – mit einfach zu erwerbendem Grundbesitz, Aufenthaltserlaubnis oder gar Staatsbürgerschaft. Ende Juni lagen in Zypern laut Zentralbank rund 70 Milliarden Euro auf den Konten in- und ausländischer Banken, davon stammten gerade fünf Milliarden aus den Euro-Ländern, aber 21,5 Milliarden aus Russland und anderen Drittländern. Die Milliarden wurden von den Banken in Beton und Glas investiert, in Büro- wie Privathäuser. Von denen steht nun einiges leer.
Aber auch die engen Verbindungen zu Griechenland sind alles andere als vorteilhaft. Zypriotische Banken halten Staatsanleihen des Nachbarn in Höhe von 5,5 Milliarden und griechische Kunden haben Kredite für 23 Milliarden Euro erhalten. Durchaus problematisch ist auch, dass die Wirtschaft des Euro-Landes in den letzten Jahren bei der Industrie- und Agrarproduktion an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Das Haushaltsdefizit beträgt aktuell sechs Prozent.
All diese negativen Indikatoren haben dazu geführt, dass Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Nikosias bereits mehrfach heruntergestuft haben. Die Spekulationen an den Finanzmärkten wollen nicht enden, dass auch Zypern sich in absehbarer Zeit unter den EU-Rettungsschirm stellen wird.
Gleichwohl könnte es die Insel auch aus eigener Kraft schaffen, liquide zu bleiben. Erst im Frühjahr 2012 müssen neue Kredite aufgenommen werden und bis dahin soll ein Sparprogramm für neues Vertrauen im Ausland sorgen. Ob das für neue Investitionen in Pólis und Látsi sorgen wird, ist allerdings zu bezweifeln. Der Bauboom dort dürfte Geschichte sein.
Lexikon
Der CSE General Index ist der wichtigste Aktienindex der Börse von Nikosia, an der seit 1996 gehandelt wird. In dem Index sind die 22 größten börsennotierten Unternehmen Zyperns gelistet. Aufgrund der Unsicherheiten um die Inselrepublik hat er in den letzten sechs Monaten mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Am Freitag legte er dank der allgemein besseren Stimmung um 2,5 Prozent zu. ND
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!