Mr. Air Berlin nimmt seinen Hut
Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn wird Air Berlin-Gründer Joachim Hunold vorübergehend ersetzen
Für Air Berlin sieht es momentan nicht gut aus. Im zweiten Quartal lag das Betriebsergebnis bei minus 32,2 Millionen Euro, das waren 4,0 Millionen Euro weniger als vor einem Jahr. Das Defizit kam trotz eines deutlich gestiegenen Umsatzes zustande. Dieser lag bei 1,12 Milliarden Euro, ein Plus von 27 Prozent verglichen mit dem zweiten Quartal 2010.
Seit Wochen wird über Einsparpotenziale spekuliert, gestern präsentierte Vorstandschef Hunold erste Konsequenzen. Die Fluglinie streicht mehrere Strecken und wird Flugzeuge aus dem Betrieb nehmen. Grund für die roten Zahlen seien die Mehrkosten bei Kerosin, die Luftverkehrssteuer und das schwache Tourismusgeschäft mit den nordafrikanischen Staaten, erläuterte Hunold. Der 61-Jährige verteidigte den Kurs des Unternehmens. Das Mischmodell, bei dem Kunden sowohl bei Urlaubern als auch bei Geschäftsreisenden gewonnen werden sollen, sei richtig.
Kritiker hatten in den vergangenen Jahren den Expansionskurs kritisiert, der zwar die Umsätze steigere, aber nicht die Gewinne. Air Berlin hatte vor einigen Jahren die Fluggesellschaften Dba und LTU übernommen, zuletzt wurden der Ferienflieger Tuifly und die österreichische Niki integriert. Zudem baut die Fluggesellschaft in Berlin ein Drehkreuz auf.
Die Börse reagierte zunächst mit Kursverlusten auf die Ankündigung des Sparprogramms, die Aktienkurse erholten sich jedoch rasant, als Hunold sein Angebot zum Rücktritt aussprach. Was zunächst nur ein Angebot an den Verwaltungsrat war, wurde so zum nicht umzukehrenden Schritt.
Zumindest vorübergehend soll der ehemalige Bahnchef und enge Vertraute des Air Berlin-Gründers, Hartmut Mehdorn, ab dem 1. September den Chefposten übernehmen. Mehdorn ist bereits seit Juli 2009 Mitglied des Air-Berlin-Verwaltungsrats. Wie lange der Übergang dauert, will der Verwaltungsrat später entscheiden. Das Gremium nahm gestern den Rücktritt an und bestätigte Mehrdorn als Nachfolger. Hunold selbst will Mitglied des Verwaltungsrats ohne Managementaufgaben bleiben. Air Berlin ist eine Aktiengesellschaft britischen Rechts (plc) und hat deshalb ein Board, das die Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat vereinigt.
Streichprogramm
- Die Fluggesellschaft will sich von Regionalflughäfen wie Köln-Bonn zurückziehen, der Standort Erfurt-Weimar soll komplett aufgegeben werden. Der Flughafen verliert damit den größten Teil seiner Charterflüge.
- Gestrichen werden sollen die Verbindungen Frankfurt – Hamburg, Frankfurt – Neapel, Stuttgart – St. Petersburg, München – Kairo und Düsseldorf – Paris.
- Das Unternehmen will sich auf die Drehkreuze Berlin, Düsseldorf, Palma de Mallorca und Wien konzentrieren.
- Die Kapazität soll allein im zweiten Halbjahr um mehr als 7500 Flüge verringert, die Zahl der Flugzeuge noch in diesem Jahr von 171 auf 163 reduziert werden. 2012 sollen es 164 statt wie zuletzt geplant 177 sein.
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