Eskalierter Konflikt

Stadtverwaltung in Plymouth hat nicht mit Solidarität gerechnet

  • Christian Bunke, Manchester
  • Lesedauer: 3 Min.
Im britischen Plymouth eskaliert ein Streit zwischen der Stadtverwaltung und den Gewerkschaften. Diese weigern sich, einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zuzustimmen.

Wie schnell sich die durch das Sparprogramm der britischen Regierung hervorgerufenen Ausein-andersetzungen verschärfen können, zeigt sich derzeit in der Stadt Plymouth. Bei der Stadtverwaltung entzogen die Arbeitgeber der Gewerkschaft UNISON am 17. August kurzerhand das Recht, ihre Mitglieder zu vertreten. Das bedeutet: Die Gewerkschaft musste ihr Büro im Rathaus von Plymouth räumen und ins nahegelegene Exeter umziehen. UNISON-Hauptamtliche dürfen das Gelände der Stadtverwaltung nicht mehr betreten.

Der Konflikt entzündete sich an einer scheinbaren Lappalie. UNISON hatte zu einem neuen Arbeitsvertrag, der von den Arbeitgebern vorgelegt wurde, Gesprächsbedarf angemeldet. Dieser Vertrag sieht eine Reihe von Verschlechterungen für die Beschäftigten vor, soll dafür aber angeblich Arbeitsplätze sichern. Wird der Vertrag nicht unterschrieben, droht die Stadt Plymouth mit 400 Stellenstreichungen. Eine kleine Mehrheit von UNISON-Mitgliedern hatte sich in einer Urabstimmung unter dem Druck der Arbeitgeber dafür ausgesprochen, den neuen Vertrag zu akzeptieren. Die Mitglieder der anderen beiden Gewerkschaften bei der Stadt Plymouth, GMB und UNITE, haben den Vertrag abgelehnt. UNISON ist allerdings die größte Gewerkschaft vor Ort.

Dann wiesen die UNISON-Anwälte auf möglicherweise illegale Bestandteile des Vertrages hin. Beispielsweise werden Eltern – in erster Linie Mütter – über Gebühr benachteiligt, indem der Elternschafturlaub massiv verkürzt werden soll.

UNISON wollte mit den Arbeitgebern über einzelne Aspekte noch einmal reden. Die Vertreter der Stadtverwaltung setzten die Gewerkschaft jedoch kurzerhand vor die Tür und drohten am 1. September Entlassungspapiere zu verschicken, sollte der Vertrag bis dahin nicht unter Dach und Fach sein. Noch am 17. August erklärte die Stadtverwaltung selbstbewusst, dass man damit rechne, dass die anderen beiden Gewerkschaften den Vertrag nun sicher unterschreiben würden, UNISONS Unterschrift brauche man nicht mehr.

Eine solche Aktion ist vergleichbar mit der Absetzung eines Betriebsrates in Deutschland durch ein Unternehmen. Britischen Gewerkschaften sind solche Methoden noch aus der Zeit Thatchers bekannt. Die Konservativen haben auch die politische Mehrheit in Plymouth.

Womit die Stadt nicht rechnete, war die Antwort der UNITE- und GMB-Gewerkschaften. Diese zogen aus Solidarität mit UNISON am 18. August alle Unterschriften von Verträgen mit der Stadt Plymouth zurück.

Jetzt steht in Plymouth eine Eskalation bevor, von der Stadtverwaltung provoziert. Für Mittwoch wurde bereits eine Großkundgebung der Belegschaft vor dem Rathaus angekündigt.

Ähnlich eskalierende lokale Auseinandersetzungen zwischen Belegschaften und Stadtverwaltungen gibt es auch anderswo. In Southampton sind unter anderem die Müllleute seit über zwölf Wochen gegen geplante Stellenkürzungen im Streik. Nach dieser Zeitspanne verlieren Streikende den Schutz ihres Arbeitsplatzes, dass heißt, sie können nun entlassen werden. Auch hier sieht man die erbitterte Haltung, die sich mancherorts aufgestaut hat.

Am 11. September tagt der britische Gewerkschaftsbund TUC in London. Dann werden auch Gewerkschafter aus vielen Städten Delegationen entsenden und vom TUC einen eintägigen Generalstreik fordern. Entwickelt der TUC keine einheitliche Strategie, dann werden Ereignisse wie in Plymouth zukünftig öfter vorkommen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.