Odyssee im Gerichtsraum

Ein Rechtsstreit zwischen Apple und Samsung lässt arge Zweifel aufkommen: Wie innovativ ist der Kapitalismus denn nun?

  • Lesedauer: 3 Min.
Ein bisserl unsozial sei er ja, aber andererseits auch so fürchterlich innovativ (und effizient!): So in etwa wird der Kapitalismus auch von seinen nicht ganz so manischen Anhängern gelobt. Doch ein Gerichtsverfahren zwischen den Tablet-PC-Herstellern Samsung und Apple lässt arge Zweifel an an dieser Sichtweise aufkommen: Klaute Samsung bei Apple? Oder klaute Apple aus einem vierzig Jahre alten Science-Fiction-Film?
Welch‘ infantiler Zoff: Da beharken sich also zwei der größten Elektronik-Konzerne der Welt vor holländischen und deutschen Gerichten. Samsung habe, sagt Apple, bei Apple Design-Ideen abgekupfert: Das Galaxy Tab 10.1 kopiere die »markanten Elemente der Ausstattung« von Apples iPad 2. Damit verletzte der wichtigste Apple-Konkurrent im Marktsegment »Tablet-Computer« ein geschütztes Geschmacksmuster. Samsung nutze mithin den »guten Ruf des iPad« aus, »bei dem es sich um ein sehr bekanntes Produkt mit Kultstatus« handele. Deswegen: Einfuhr- und Verkaufsverbot für Europa!

Samsung kontert: Nee, Apple hat ja selbst geklaut. Ließ sich nämlich arg inspirieren durch einem Film aus dem Jahr 1968. Vor Gericht präsentierte Samsung ein Szenenfoto aus »2001: Odyssee im Weltraum«, dem Science-Fiction-Klassiker schlechthin. Und in der Tat: Wir sehen einen (futuristische Astro-Nahrung verspeisenden) Raumfahrer, der auf ein Gerät blickt, das tatsächlich als iPad-Vorläufer und iPad-Inspirator durchgehen kann. Neuland, argumentieren Samsungs Anwälte, Neuland betrat Apple mit dem iPad jedenfalls nicht.

Ist also Regisseur Stanley Kubrick der eigentliche Erfinder des tastaturlosen, flachen, gut tragbaren Rechners mit schlechten Leistungsmerkmalen, der im wesentlichen aus einem Bildschirm nebst Plastikrahmen besteht? Und war er einfach zu blöd, um sich das Geschmacksmuster sichern zu lassen?

Kubrick verstarb 1999, lange bevor man den großen Hype um die internet-fähigen Mobilgeräte mit immer neuen klangvollen Namen, Größen und Formen, gleichwohl bei ähnlichen Funktionen und Können, auch nur erahnen konnte. Bevor es zum guten Ton gehörte, nicht ohne mindestens ein Handy (in Gestalt von Smartphones), Tablet-PC, Netbook und Laptop aus dem Hause zu gehen. Bevor die entsprechenden Milliardenmärkte entstanden.

Böse Zungen behaupten: Das iPad ist schlicht ein überdimensioniertes iPhone. Dennoch (oder deswegen!) verkaufte es sich wie kühles Mineralwasser in der Wüste. Samsungs Galaxy galt Ende 2010 als erster ernsthafter Konkurrent für das als cool geltende Gerät. Mit solch schnöden Dingen wie der Herstellung geben beide Firmen sich nicht ab: Sie lassen bei Foxconn in China produzieren (siehe auch: Selbstmorde trotz »grünem« Apfel).

Beim Vergleich beider Geräte sehen die Tester bei der Ausstattung, manche auch unter dem Strich Vorteile für Samsung. Doch bei der ästhetischen Dimension des Designs (und darum geht es ja in dem Streit!) erkennen die Produkttester massive Unterschiede: Das Galaxy wirke nicht annähernd so edel wie Apples iPad. Im Hause Apple sieht man das offenbar anders...

Als »revolutionär« wurde das iPad bei Einführung besungen, und zwar nicht nur von Apples hauseigenen Dichtern. Ist es da ein Problem, wenn die Grundidee (und nicht nur irgendein »Geschmacksmuster«) schlicht übernommen wurde – aus einer über 40 Jahre alten Filmszene? Nein. Jede Idee ist von vielen anderen bereits vorher gedachten Ideen inspiriert. Und inspiriert ihrerseits vielleicht neue Ideen. Wirklich Neues, gar Revolutionäres entsteht selten, während Pseudo-Innovationen an der Tagesordnung sind. Aber auch Nicht-Revolutionäres will verkauft werden – aber gewiss nicht als solches.
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -