Uniformierte »Wiederaufbauhelfer«
Wüste Überlegungen: In Berlin denkt man weiter über Bundeswehrtruppen in Libyen nach
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) steht einsam da. Union, SPD, Grüne, ja sogar seine eigenen Parteifreunde kreiden ihm die Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat an, die Deutschland nun – nachdem der endgültige Sieg der Anti-Gaddafi-Front greifbar nah ist – in die zweite Reihe der Siegverwerter befördert. Trotzig sagt Westerwelle, jeder habe »auf seine Art und Weise einen Beitrag geleistet«, um Gaddafi zu verjagen. Die kriegsführenden Verbündeten ermahnt er, sie sollten den Erfolg des libyschen Volkes »nicht okkupieren«.
Derartige Sprüche nimmt man in Paris, London und Rom nicht einmal zu Kenntnis. Und wenn – was nicht unwahrscheinlich ist – von den neuen Machthabern in Tripolis via UNO ein Hilferuf ergeht, weil die zahlreichen im Volk verstreuten Waffen nicht schweigen, werden die bislang bis zum finanziellen Ruin engagierten NATO-Verbündeten interessiert nach Deutschland schauen und skandieren: Deutschland, geh' du voran!
Gerade weil Thomas de Maizière (CDU), der deutsche Verteidigungsminister, das weiß, versucht er, die mögliche UN-Aufforderung ins Unwahrscheinliche zu reden. Noch vor kurzem sagte er eine »konstruktive Prüfung« von Truppenexport zu. Nun betont er stärker denn je: »Ich hoffe, dass eine solche Anfrage nicht nötig ist. Ich gehe davon aus, dass die künftige libysche Regierung selbst für die Sicherheit im Land sorgen kann und dazu keine Hilfe von außen braucht.« Was de Maizière so dem »Tagesspiegel« sagte, kontrastiert das, was Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) meint. Der warnt vor »Ausschließeritis«. Es könne sein, dass man zur Stabilisierungshilfe auch mit militärischen Elementen aufgefordert wird, wenn die Vereinten Nationen, die EU oder die NATO das für notwendig halten. »Natürlich würden wir dann im Rahmen unserer eigenen Interessen und unserer internationalen Verantwortung nicht abseitsstehen können.« Interessant, dass Schmidt nicht nur auf die UNO hören mag, sondern auch die eigenen Interessen, die der EU und der NATO als ausreichenden Grund betrachtet, um mal wieder deutsche Soldaten in die Wüste zu schicken. Eine andere Idee von de Maizière verdient gleichfalls Beachtung. »Soweit es um Beratung geht, ist vieles denkbar. Noch immer lagern in Libyen chemische Kampfstoffe. Das macht uns Sorge. Diese Kampfstoffe müssen vernichtet werden und dürfen nicht in falsche Hände kommen.«
Man erinnert sich an einen Skandal Ende der 80er Jahre. »Auschwitz im Sand« titelten US-Kolumnisten, als sie von einer Chemiefabrik im libyschen Rabita berichteten. Sie wurde einer deutschen Firma ge- und beliefert. Libyens Diktator Gaddafi wollte Kampfstoffe produzieren und die Regierung unter Helmut Kohl nichts davon wissen. BND-Chef Wieck wies das Kanzleramt mehrfach »dringlich« darauf hin, dass man die Sache ernst nehmen müsste. Nichts geschah. Erst als die US-Regierung Druck machte, entschloss man sich in Bonn zu ermitteln, was man bereits seit einigen Jahren wusste.
Wenn von Beratertätigkeit im »neuen« Libyen die Rede ist, kann das Thema Polizeiausbildung nicht außen vor bleiben. Bislang war Libyen ein starkes Bollwerk der EU gegen Migration. Die Grenzdienste ließ sich Tripolis gut bezahlen. Denkbar, dass demnächst EADS »auf der Matte steht« und den neuen Machthabern den Aufbau eines hochmodernen, technisch ausgefeilten Grenzbauwerkes anbietet. So wie es in Saudi-Arabien gebaut und in Algerien geplant ist. Dann ist sicher auch wieder die Bundespolizei als Ausbilder gefragt. Deren Exporthilfe rechnet die Regierung sicher erneut als Aufbauhilfe in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ab.
Viel Arbeit also für Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die nach den Sommerferien demnächst wieder in Berlin zur Volksvertretung antreten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.