Domowina skeptisch zu Sorbenparlament
Sorben-Konferenz der LINKEN drängt auf mehr Autonomie für slawische Minderheit
Vor zehn Jahren wurde in Crostwitz Geschichte geschrieben, was die Sorben anbelangt. Wochenlang wehrte sich die Minderheit gegen die Schließung der dortigen sorbischen Schule. Die Aktion bewies den Kampfgeist der Sorben, aber auch ihre begrenzten Mittel: Es obsiegte der Kultusminister.
Als Lehre aus dieser Niederlage drängten viele Sorben auf mehr kulturelle und Bildungsautonomie – eine Forderung, die durch weitere Schulschließungen und den anhaltenden Streit um die Finanzierung sorbischer Institutionen seither eher stärker geworden ist. Allerdings gibt es erhebliche Kontroversen zur Frage, wie eine solche größere Eigenständigkeit durchgesetzt werden soll. Während manche Sorben die Domowina stärken und mit mehr Rechten ausstatten wollen, möchten andere ein Sorbenparlament schaffen, das dann als eine Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt werden soll.
Wer soll wählen?
Wie hart umkämpft die Positionen sind, belegte eine Debatte auf dem 9. Sorbentag der Linksfraktionen in Sachsen und Brandenburg, der gestern auf dem früheren Schulgelände in Crostwitz stattfand. David Statnik, der Vorsitzende der Domowina, verwies dabei auf große juristische Unwägbarkeiten bei der Schaffung eines Sorbenparlaments – vor allem die Frage, wer dieses wählen dürfte. Sorbe ist, wer sich dazu bekennt. In amtlichen Dokumenten wird dieses Bekenntnis indes nicht fixiert. Es bestehe die Gefahr, dass Nichtsorben mitwählen, um Partikularinteressen zu verfolgen, womit der Wählerwille verfälscht werde, sagt Domowina-Geschäftsführer Bernhard Ziesch.
Dagegen sagt der Kulturwissenschaftler Martin Walde, Sprecher einer Initiativgruppe für ein sorbisches Parlament, derlei juristische Probleme ließen sich lösen. Ziel sei es, eine »demokratisch legitimierte« Volksvertretung für die Sorben einzurichten. Bisher gilt die Domowina als Repräsentantin, was in Gesetzen teils so fixiert ist. Formal ist die Domowina indes der Dachverein sorbischer Vereine; nur deren Mitglieder wählen die Gremien. Sie als Vertretung des gesamten Volks anzusehen, sei »eigentlich illegitim«, sagt Walde. Zahlreiche Sorben fühlten sich zudem von der Domowina nicht vertreten. Um mehr politischen Druck zu entfalten, »reichen keine kosmetischen Korrekturen alter Verhältnisse«.
Alte Dame überlebte vieles
Der Vorstoß sorgt für viel Unruhe. Er fürchte, dass eine neue Körperschaft »die Domowina existenziell in Frage stellt«, sagt ihr Chef Statnik. Rückenstärkung erfährt er von Thede Boysen, Minderheitensekretär und damit Interessenvertreter für Friesen, Dänen, Sorben sowie Sinti und Roma in Berlin. Er erklärt mit Hinweis auf das bevorstehende 100. Gründungsjubiläum der Domowina, die »alte Dame, die vier deutsche Staatsformen überlebt hat, kann nicht alles falsch gemacht haben«. Gleichzeitig solle man sich nicht durch eine »beamtenmäßige Sicht« auf das Wählerproblem abhalten lassen zu prüfen, ob ein Parlament eine bessere Interessenvertretung gewährleiste.
Die letzte Entscheidung müssten die Sorben selbst treffen, sagt André Hahn, Chef der gastgebenden Linksfraktion, und merkt an, er sei »froh, dass ich das nicht entscheiden muss.« Jedoch solle nicht zu viel Zeit in Debatten verloren werden: »Die Sorben müssen klären, worüber sie mit der Politik verhandeln wollen.« Wichtige Fragen könnten in einem Staatsvertrag geregelt werden, wie ihn der damalige CDU-Fraktionschef unter dem Druck des Crostwitzer Schulstreits schon 2001 angeboten hatte. Das Domowina-Jubiläum 2012, sagt Hahn, wäre »ein guter Anlass, um zu klären, was Bund und Länder für die Sorben leisten wollen«.
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