Regierung nimmt Altersarmut nicht ernst

DGB und Grüne kritisieren fehlendes Problembewusstsein und fordern umfassenden Ansatz

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl der armen Alten dürfte steigen. Der DGB hat die Bundesregierung aufgefordert, auf eine Absenkung des Rentenbeitrags zu verzichten. Die Grünen verlangten eine steuerfinanzierte Garantierente von 824 Euro.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte es genau wissen: 278 Fragen stellte sie der Bundesregierung in Sachen Altersarmut und Rentenpolitik. Inzwischen liegt die Antwort vor, die Fragesteller quittieren sie mit Enttäuschung. Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt kritisierte gestern in Berlin, dass die Regierung kein Problembewusstsein für Altersarmut zeige. Wie andere gesellschaftliche Gruppen, darunter Oppositionsparteien, Sozialverbände und Gewerkschaften, sehen auch die Grünen hier eines der großen sozialen Themen der Zukunft. In den kommenden Jahren wird die Altersarmut nach ihrer Einschätzung vor allem im Osten zunehmen, wo viele Langzeitarbeitslose vor der Rente stünden. Bereits heute sei jeder achte Rentner armutsgefährdet, mahnte Göring-Eckardt.

Sie forderte ein umfassenderes Herangehen an die Problematik: »Gesundheits- und Präventionspolitik sind nicht langfristig und integrativ angelegt, Auswirkungen etwa von Zuzahlungen werden nicht berücksichtigt.« Der Bundesagentur für Arbeit sollten in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro an Mitteln unter anderem für Eingliederungsmaßnahmen entzogen werden – für die Bundestagsabgeordnete ein weiterer Hinweis darauf, dass niedrige oder fehlende Arbeitseinkommen nicht in Zusammenhang mit der Sicherung des Alters gesehen werden wollen.

Eine geplante Regierungskommission zur Altersarmut sollte eigentlich schon im Frühjahr ihre Arbeit beginnen. Sie wurde jetzt auf einen »Renten-Dialog« eingedampft, der am 7. September startet. Hier sollen in wenigen Terminen Einzelaspekte abgehandelt werden, im Gespräch mit Experten von Verbänden und Gewerkschaften. Erst in diesem Dialog will die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen Regierungsvorschläge benennen. Zu in der Presse kursierenden Themen wie die zuletzt deutlich gesunkenen Erwerbsminderungsrenten erklärte das Arbeitsministerium auf ND-Anfrage diese »vermeintlichen Vorhaben« für »reine Spekulation, die wir nicht dementieren, bestätigen oder gar kommentieren«. Der Dialog sei thematisch offen.

In der Antwort auf die Grünen-Anfrage waren alle Vorschläge, die zur Zeit für ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung öffentlich diskutiert werden, abgelehnt worden. Die Partei selbst votiert für eine Garantierente, so der rentenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn. Wer 30  Jahre gearbeitet hat, soll danach 30 Entgeltpunkte erhalten. Nach heutigem Maßstab entspricht das einer monatlichen Rente von 824 Euro. Zur Finanzierung sollte auch eine Versicherungspflicht der Selbstständigen beitragen, der Rest müsse aus Steuermitteln kommen. Zur Zeit würden zwischen 1,5 und zwei Millionen Menschen Anspruch auf eine solche Garantierente haben.

In ihrer eigenen Rentenpolitik wollen die Grünen vor allem erreichen, dass eine lange Erwerbstätigkeit auch zu einer sicheren Altersversorgung führe. Ein Mindestlohn von 7,50 Euro reiche für eine existenzsichernde Rente aber nur, wenn 50 Jahre dafür gearbeite würde, überschlug Strengmann-Kuhn. Insofern seien weitere Maßnahmen nötig. Die gegenwärtig etwa 400 000 Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen, bilden aus Sicht der Grünen das Problem der bereits bestehenden Altersarmut noch nicht vollständig ab. Sie vermuten eine große Dunkelziffer und fordern weitere Untersuchungen dazu ein.

Der DGB forderte unterdessen, den jetzt möglichen finanziellen Spielraum in der Rentenkasse zur Bekämpfung der Altersarmut zu nutzen und den anstehenden Automatismus einer Beitragssatzsenkung auszusetzen. Der Gewerkschaftsbund setzt sich für die Wiedereinführung der Rente nach Mindesteinkommen ein, in der Ansprüche von langjährig Versicherten aufgestockt werden, wenn diese unterdurchschnittlich verdient haben. Weiterhin sei eine Aufwertung der Erwerbsminderungsrente nötig, die ein besonders hohes Armutsrisiko darstelle.

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