Jamie Sheas Erben

Kommentar von Detlef D. Pries

  • Lesedauer: 2 Min.

NATO-Sprecher Jamie Shea war es, der während des Krieges gegen Jugoslawien den Begriff »Kollateralschaden« verbreitete. Der Tod von Zivilisten durch NATO-Bombardements wurde zur lässlichen Nebensache verharmlost. Angesichts heftiger Kritik riet Shea seinen Kollegen später, künftig offen über das Leid zu sprechen, das der Zivilbevölkerung zugefügt wird – »unabsichtlich«, wie er meinte. Dabei war Absicht in manchem jugoslawischen Fall durchaus zu unterstellen.

Oana Lungescu, Nachfolgerin des smarten Briten in der Brüsseler NATO-Zentrale, hält indes nichts von dessen Rat. Schon zu Beginn des Libyen-Krieges erklärte sie: »Jedes Ziel, das wir angreifen, ist ein militärisches Ziel.« Das ist freilich eine Sache der Interpretation, und dass die NATO ihr Mandat und ihre Ziele in Libyen »äußerst großzügig« auslegt, ist längst bekannt. Nie wird man also erfahren, wie viele der bisher 50 000 Toten, die der Rat der Rebellen bilanziert hat, aufs Konto der Militärallianz gehen. Beschwichtigung, Verharmlosung und Verschleierung bleibt die Aufgabe der NATO-Sprecher.

Ganz groß darin ist Lungescus Kollege Roland Lavoie, der den Journalisten die Interpretationen des Militärkommandos in Neapel vermitteln soll. Vor einer Woche, am 23. August, tönte er lauthals, Muammar al-Gaddafi spiele für die NATO keine Rolle mehr, seine Präsenz im Lande habe »nur noch symbolischen Wert für seine Anhänger«. Sieben Tage später behauptete Lavoie das Gegenteil: Gaddafi habe nach wie vor »die Fähigkeit, eine bestimmte Art von Kommando und Kontrolle auszuüben«. Was heißen soll: Die NATO muss weiter bomben.

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