Polizei verhindert Anti-Nazi-Blockaden
Nach rechtem Aufmarsch: Gegendemonstranten und Polizei werfen sich gegenseitig Gewalt vor
Trotz 10 000 Gegendemonstranten verlief der Dortmunder Neonazi-Aufmarsch am Samstag weitestgehend ungestört. Kein Wunder: Die Polizei beschützte ihn mit Räumpanzern, Wasserwerfern, Polizeipferden und 4000 Beamten.
Dass die Rechten Outfit und Inhalte der Linken – insbesondere der Autonomen – beleihen, ist keine wirklich neue Nachricht. Che-Guevara-T-Shirts, Parolenklau, schwarze Kleidung – alles altbekannt. Wenn aber ein Ultrarechter im schwarzen »Tierrechte«-T-Shirt, im Autonomen-Look und mit einem Rucksack unterwegs ist, auf dem neben veganen und Anti-Atomkraft-Buttons auch ein öko-anarchistischer und ein anarchosyndikalistischer Stern prangen, dann erstaunt das auch den langjährigen Beobachter.
Solch ein Herr erklomm am Samstag sogar die improvisierte Nazi-Rednertribüne – und forderte auf Englisch: »Lang lebe die nationale Revolution!«. Vorgestellt wurde der Mann in Schwarz als »Kamerad aus Italien«. Seine wirre Rede wurde von einem Landsmann unterbrochen, der auf Italienisch lautstark »Freiheit« und »Kommunismus« forderte, aber nach wenigen Sekunden von der Polizei abgeführt wurde.
Wo kämen wir auch hin, wenn jeder einfach seinen Unmut über den »Nationalen Antikriegstag« äußern dürfte, der am Samstag zum siebten Mal in Dortmund stattfand? Für Dortmunds Polizeipräsident Hans Schulze muss das eine Horrorvorstellung sein. Er würde den Aufmarsch der Rechten ermöglichen, daran hatte der Sozialdemokrat im Vorfeld keinen Zweifel gelassen. Dortmunds Polizei hatte in einer aufwändigen Kampagne kommuniziert, antifaschistische Blockaden seien illegal und würden »den Falschen« nutzen – wer immer das auch sein mag. Und Schulze ließ seinen Worten Taten folgen: Trotz rund 10 000 Gegendemonstranten konnten die 700 Nazis beinahe ungehindert marschieren. Nebenher fand noch eine NPD-Demonstration mit 50 Teilnehmern statt.
Dabei hatten gleich drei Bündnisse – ein autonomes, ein linkes, ein rot-grün-gewerkschaftliches – dazu aufgerufen, den Nazi-Aufmarsch per Blockade zu verhindern. Doch die Polizei sperrte die Demoroute der Rechten weiträumig ab. 250 linke Demonstranten wurden über Stunden eingekesselt. Von den 271 Festgenommenen gehörten über 95 Prozent nicht dem rechten Lager an. Später sollten Polizei und Nazi-Gegner sich gegenseitig Gewaltvorwürfe machen. Die Polizei habe »in Treue fest an der Seite der Nazis« gestanden, ja als »willfährige Partnerin« der Braunen agiert – mit »Knüppel, Pfefferspray und Wasserwerfern«, konstatierte das linke Bündnis »Dortmund stellt sich quer«. Die Uniformierten hätten »unter Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgebotes den Nazis den Weg freigemacht«. Trotz einer bisher nicht dagewesenen politischen Stimmung gegen die Rechtsaußen sei es daher nicht gelungen, den Aufmarsch zu verhindern.
Viele Blockaden wurden schon im Ansatz verhindert, zwei aufgelöst. Und so muss die grüne Landeschefin Monika Düker schon wegen eines kleinen Erfolges euphorisch sein: Die Polizei habe »unsere Blockade zugelassen«, schwärmt sie. Erfolgsbilanz der Promi-Aktion: Die Nazis marschierten durch die Parallelstraße. Lautstark. Aggressiv. Bestens beschützt.
Einmal geriet der Demozug ins Stocken. Gegendemonstranten blockierten kurzzeitig den geplanten Marschweg. Die Nazis stoppen mitten in der multikulturell geprägten Dortmunder Nordstadt. Die nicht eingeplante Pause nutzen sie für eine spontane Zwischenkundgebung. Ein offen nationalsozialistischer Vortrag wird vom Band abgespielt.
Während Journalisten bis zu 50 mal den Presseausweis zücken mussten – Rekord: Zwei Kontrollen auf fünf Metern! –, um halbwegs frei ihrem Auftrag der Berichterstattung nachgehen zu können, konnte sich ein Teil der Nazis nach der Demo frei im Hauptbahnhof bewegen. Hier drückte die Polizei offenbar ein Auge zu – und brachte damit durchaus Passanten in Gefahr.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.