Jugendstilperle mit ungewisser Zukunft
Die Stadt Nürnberg findet keinen Investor für ihr altes Volksbad
Nürnberg (dpa/ND). Wenn man das alte Nürnberger Volksbad betritt, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Am Eingang wird man noch von den alten Eintrittspreisen begrüßt: Fünf Mark kostete einst das Badevergnügen für einen Erwachsenen. Auch der Umkleidetrakt wirkt wie aus einer anderen Zeit – als die Kabinen zugleich Schließfächer waren und sich direkt zum Schwimmbecken hin öffneten. Von den Wänden blättert der Putz, in der Luft liegt Moder-Geruch. Die Schwimmbecken sind leer. Die letzten Badegäste hatten sich hier 1995 getummelt. Seitdem ist die Jugendstilperle verwaist.
Die Stadt Nürnberg als Eigentümerin des Gebäudes sucht seit Jahren nach Investoren, die wieder Glanz in den Bau bringen sollen. An Vorschlägen mangelt es nicht: Mal soll das an eine römische Therme erinnernde Bad eine Reha-Klinik aufnehmen, mal stand ein Einkaufszentrum zur Debatte. Beide Pläne scheiterten. Und auch die letzte Ausschreibung im Jahr 2009 lieferte keine verwertbaren Vorschläge, erklärt der Leiter des städtischen Liegenschaftsamtes, Claus Fleischmann. Meist schreckten potenzielle Investoren die hohen Sanierungskosten des denkmalgeschützten Gebäudes ab.
Die hohen Reparaturkosten waren es auch, die die Stadt Nürnberg vor 16 Jahren dazu bewogen, den Jugendstilbadetempel zu schließen. »Schon damals waren die Sanierungskosten sehr hoch, heute belaufen sie sich auf etwa 30 Millionen Euro«, sagt Fleischmann. Daneben schreckt auch die ungünstige Verkehrslage in unmittelbarer Nachbarschaft der Nürnberger Verkehrsdrehscheibe Plärrer ab; in der ganzen Umgebung fehlt es an Parkplätzen. Dennoch, so versichert Fleischmann, will die Stadt Nürnberg das Gebäude erhalten, an Abriss sei nicht gedacht.
Dass die Stadt Nürnberg heute mit dem Volksbad ein Jugendstilkleinod besitzt, verdankt sie den späten Bauplänen. Erst im Jahr 1914 wurde es eröffnet. Das bot den Baumeistern die Chance, dem neuen Jugendstil zu huldigen. Die »Jugendstilperle« beherbergt drei Schwimmhallen sowie ein Dampfbad mit Cafeteria. Im Zweiten Weltkrieg wurden Teile des Bauwerks zerstört, Ende der 1950er Jahre jedoch wieder aufgebaut. In den 1970er Jahren bekam das Bad zunehmend Konkurrenz; neu eröffnete moderne Hallenbäder zogen frühere Volksbad-Besucher an. Auch eine Sanierung des Bades in den 1980er Jahren konnte das Aus nicht verhindern.
Der Förderverein »Erhaltet das Volksbad« kämpft derweil seit Jahren für eine Rettung des Bades. Er möchte es in mehreren Schritten wieder zu einem Badetempel machen, erklärt Paul Müller vom Förderverein. Wichtig sei nun, das Bad erst einmal wieder ins Bewusstsein der Nürnberger zu bringen, betont Müller. Ein Gespräch zwischen dem Vereinsvorsitzenden Martin Linek und Oberbürgermeister Ulrich Maly sei positiv verlaufen. Jetzt müsse man eine Bestandsaufnahme über die genauen Sanierungskosten erstellen.
In eine andere Richtung gehen dagegen die Pläne des Vereins Arabisches Museum Nürnberg. Der könnte sich darin gut ein Museum über interkulturelle Beziehungen der arabischen Welt zu Asien und Europa vorstellen. Eingerichtet werden könnte dabei auch ein Hamam – ein orientalisches Bad. Ein Architekturbüro prüft derzeit, was ein solcher Umbau kosten würde.
Ganz ungenutzt ist das alte Bad heute jedoch nicht. Bis Oktober ist es an jedem Wochenende für »Fotoshootings« gemietet: Fotografen nutzen dabei das Bad als ungewöhnliche Kulisse für Modeaufnahmen. In den Räumen des alten Fundbüros betreibt ein Kulturverein seinen Treffpunkt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.