Erfolgsmodell im Währungskrieg
Die Forderung nach Ausstieg aus dem Euro-Raum ist populär. Doch die Rückkehr der D-Mark würde keines der Probleme lösen.
Als prominentester Kritiker des Euro zieht der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Industrie, Hans Olaf Henkel, seit einem Jahr durch Talkshows und Veranstaltungsräume. Zentrale Forderung seines pünktlich zum Weihnachtsgeschäft erschienenen Buches »Rettet unser Geld« ist die Teilung des Euro-Raumes in zwei Währungsräume – »einen nördlichen, der diszipliniert ist, der keine Inflation will, der an Haushaltsdisziplin gewöhnt ist, und einen südlichen, der lieber mit einer Abwertung wettbewerbsfähig sein will«. Der Hamburger Ex-Chef des BDI macht sich damit zum Sprachrohr der in abertausenden Internet-Blogs erhobenen Forderung, Deutschlands solle aus dem Euro austreten.
In einer »Bild«-Zeitungsumfrage befürwortete im letzten Jahr die Mehrheit eine Rückkehr zur D-Mark und auch in einer vom Allenbach-Institut durchgeführten Befragung votierte fast die Hälfte dafür und damit gegen die Treuebekenntnisse zur Gemeinschaftswährung, die Koalition und Opposition einen.
Unterstützung erhält Henkel auch von einigen Wirtschaftswissenschaftlern. Dirk Meyer von der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität etwa forderte unlängst im Nachrichtenmagazin »Focus« eine Neuordnung der Währungsunion durch die Abspaltung entweder der D-Mark oder eines »Nord-Euro« gemeinsam mit Österreich und den Niederlanden.
Namhafte Wissenschaftler warnen jedoch eindringlich vor einem Ausstieg aus dem Euro-Raum. So befürchtet der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn, einen Einbruch deutscher Exporte durch die erwartbare Aufwertung einer neuen D-Mark. Läge diese bei nur zehn Prozent würden die Exporte auf Dauer um vier bis fünf Prozent zurückgehen. Horn rechnet aber mit einer deutlich höheren Aufwertung. »Das wäre dann eine wirtschaftliche Katastrophe«, sagte er kürzlich in einem Interview. Der Berliner Ökonom Michael Burda erwartet gar eine Aufwertung innerhalb weniger Monate um 50 Prozent. »Das würde den deutschen Mittelstand mit einem Schlag auslöschen«, so Burda. Ähnlich dramatisch sieht dies auch Daniel Gros, Direktor des Brüsseler Centre for European Policy Studies (CEPS): »Die deutsche Volkswirtschaft würde massiv einbrechen, vielleicht nur um 20 Prozent, vielleicht aber auch um 30 Prozent.«
In der Tat würde ein Ausstieg aus dem Euro Deutschland seiner mächtigsten wirtschaftspolitischen Waffe berauben – einer durch die Währungsgemeinschaft mit weniger konkurrenzfähigen Staaten strukturell unterbewerteten Währung, deren Beitrag zum Erfolg des exportgetragenen zweiten deutschen »Wirtschaftswunders« (Financial Times) neben der Stagnation der Löhne kaum überschätzt werden kann. Deutschland sieht sich hier in guter Gesellschaft. Auch die zweite auf dem Exportmodell aufgebaute Volkswirtschaft China, das sich weiterhin der Konvertierbarkeit seines Renminbi verweigert, kann von den internationalen Währungsungleichgewichten profitieren, die zu einer künstlichen Verbilligung der Exporte führen.
US-Finanzminister Timothy Geithner kritisiert vehement die Exportorientierung beider Staaten und der ehemalige IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn sah bereits im letzten Jahr einen »Währungskrieg« heraufziehen, seit insbesondere einige Schwellenländer dieses Modell zu kopieren suchten. Dass die zumeist ressentimentgeladenen Rufe nach einer Rückkehr zur D-Mark in diesem »Abwertungswettlauf der Nationen«, so der Ökonom Eberhard Weinberger, kaum Aussicht auf Erfolg haben können, versteht sich da fast von selbst.
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