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Von Hamburg nach Serbien und Mazedonien

Mehreren Roma-Familien aus der Hafenstadt droht die Abschiebung nach Ex-Jugoslawien – und damit in die Armut

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die EU-Staaten machen mobil, um die beschlossene Freizügigkeit wieder einzuschränken. Betroffen davon sind auch ein Dutzend Roma-Familien aus Hamburg, denen die Abschiebung nach Ex-Jugoslawien droht. Der Flüchtlingsrat forderte nun Bürgerschaftsabgeordnete auf, sich vor Ort selbst ein Bild von der Lage zu machen
Von Hamburg nach Serbien und Mazedonien

Acht von zwölf Eingaben, hinter denen insgesamt rund 50 Roma stehen, wurden am 16. August vom Petitionsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft abgelehnt. Die übrigen vier, darunter nach Auskunft des Flüchtlingsrats Hamburg zwei Krebskranke und eine 17-Jährige, die unmittelbar von einer Zwangsehe bedroht sei, wurden an die heute zusammentretende Härtefallkommission überwiesen. Ob diese heute schon eine Entscheidung fällt, ist ungewiss. »Bürgerschaft und Senat sind unmittelbar verantwortlich, diese Menschen in Tod, Hunger und Elend abzuschieben«, warnte Sigrid Töpfer vom Flüchtlingsrat Hamburg, die auch einen Teil der betroffenen Familien als Anwältin vertritt.

Marija Kurtic, die nach ihrer Flucht aus Serbien von 1991 bis 2003 in Deutschland lebte und 2010 im Zuge der EU-Visafreiheit wieder zurückkehrte, würde selbst gerne in Deutschland bleiben, plädiert aber noch mehr für ihre Kinder. »Sie sind hier geboren, sprechen perfekt Deutsch und haben hier ihre Freunde. Sie sehen in Deutschland ihre Heimat und haben mich in Serbien ständig gefragt: ›Wann gehen wir zurück?‹«

Hamburg intensiviert seit Anfang des Jahres die »Rückführung« von Roma, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, in die jugoslawischen Nachfolgestaaten Serbien und Mazedonien. Ein Antrag der Linksfraktion auf Abschiebestopp und Bleiberecht wurde im Juni vom Innenausschuss der Bürgerschaft abgelehnt. Die Hamburger Innenbehörde verweist bislang auf die Zuständigkeit der Bundesebene und lehnt einen »Alleingang« ab. Anwältin Töpfer bezeichnete diese Argumentation als »juristischen Unfug« und verwies auf Möglichkeiten, sowohl einen sechsmonatigen Abschiebestopp zu verhängen als auch aus dringenden humanitären Gründen Aufenthaltserlaubnisse auszustellen.

Der Flüchtlingsrat Hamburg forderte die mit den Fällen befassten Parlamentarier auf, in die betreffenden Regionen zu reisen, um sich selbst ein Bild von der dortigen Lage zu machen. Er bezieht sich damit auch auf die jüngste Entwicklung in Baden-Württemberg, wo der Petitionsausschuss des Landtags im Herbst auf Reisen geht; bis dahin sind Abschiebungen ausgesetzt. »Niemand kann über das Schicksal dieser Leute entscheiden, ohne eine solche Reise gemacht zu haben«, erklärte die Fotografin Marily Stroux, die gerade aus den betreffenden Gebieten zurückgekehrt ist. »Wir haben auf unserer Reise mit vielen Kindern gesprochen, die perfekt Deutsch konnten, dort aber nicht zur Schule gehen können«, berichtete Stroux. Ihr Reisebericht aus Subotica, Belgrad, Leskovac, Vranska Banja und Kumanovo zeichnet das Bild eines Alltags von Armut und Diskriminierung, denen die zurückgekehrten Roma ausgesetzt sind. »Wenn du in Serbien kein Geld hast, dann stirbst du einfach«, heißt es an einer Stelle. Viele Rückreisende erhielten zudem von den ungarischen Grenzbehörden Stempel in ihre Pässe, die eine Einreise in EU-Staaten für die Dauer von drei Jahren untersagt.

Aus einem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2011 zur »asyl- und abschieberechtlichen Lage« geht hervor, dass gerade 17 Prozent der Roma in Mazedonien weiterführende Schulen besuchen können. Viele Roma seien nicht registriert oder besäßen keine Personaldokumente, was sie von sozialen und medizinischen Leistungen ausschließe. Dieser vom Auswärtigen Amt nicht bezifferte Anteil wird von der Gesellschaft für bedrohte Völker auf 80 Prozent geschätzt. »Die soziale Verelendung und politische Verfolgung betrifft auch die, die niemals hier waren«, wies Sigrid Töpfer vom Flüchtlingsrat Hamburg über die aktuell in Hamburg diskutierten Fälle hinaus und forderte ein generelles Bleiberecht für Roma aus allen ex-jugoslawischen Staaten.

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