Fortschrittchen
Kommentar von Jörg Meyer
Manch einer reibt sich dieser Tage verwundert die Augen. Nachdem der CDU-Arbeitnehmerflügel CDA schon Ende August mit der Forderung nach einem allgemeinen Mindestlohn Schlagzeilen machte, hat nun die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer nachgelegt. Die Befürworter wollen einen Mindestlohn auf Basis der Zeitarbeit (6,89 Euro Ost, 7,79 Euro West) tariflich ausgehandelt wissen. Die Gewerkschaften begrüßen die Debatte – und fordern weiter einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Lange hat sich die CDU gegen die Debatte um eine verbindliche Lohnuntergrenze gesperrt. Dass sie nun überhaupt darüber reden will, ist ein bemerkenswerter Fortschritt und lässt einen spannungsreichen Parteitag im November erwarten. Bundesarbeitsministerin von der Leyen ist schließlich nach wie vor gegen den Mindestlohn.
Der Weg, den die CDU-Arbeitnehmer vorschlagen, kann jedoch nur der Anfang einer breiten Diskussion sein. Erstens sind 6,89 bzw. 7,79 Euro zu wenig Geld. Wer in Teilzeit arbeitet, weiß ein Lied davon zu singen. Zweitens ist nicht ersichtlich, warum wieder die Lohnunterschiede zwischen Ost und West festgeschrieben werden sollen anstatt sie endlich einzuebnen. Letztens ist die tarifliche Regelung eines Mindestlohnes ein Knackpunkt. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn würde jeden Versuch, ihn zu unterlaufen, extrem erschweren, und außerdem könnten entsprechende Sanktionsdrohungen manchen Arbeitgeber zum Einhalten der Regeln anhalten. Und wären überdies die Gewerkschaften so stark, dass sie insgesamt gute Löhne tariflich durchsetzen könnten, würden sie nicht seit Jahren den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn fordern.
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