Einer muss den Schleusenwärter machen
Mit dem Kanu auf der Mainschleife – ein Selbstversuch mit beglückenden Ein- und Aussichten
Das fängt ja gut an. Wie immer, wenn etwas auf den ersten Blick ganz leicht aussieht, ist es auf den zweiten Blick ein Problem. Wie soll ein Kanu-Neuling, der sein Boot kaum im Griff hat, auch noch Schleusenwärter spielen? »Das geht schon«, hatte der Verleiher beschwichtigt, und nun steht die Zweiermannschaft vor einer drei mal zehn Meter großen Betonwanne, in der sie sich fünf Meter tiefer legen lassen soll.
In Volkach trennen sich Main-Kanal und Altmain. Fahren die großen Schiffe gerade aus, während die Paddelboote die zehn Kilometer alte Wasserstraße ganz für sich haben. Windungen, wie sie die Natur formte, vor Weinbergen, wie sie der Mensch schuf. Ein perfektes Kanurevier. Das einzige Problem: Man muss durch diese Schleuse! Das Prozedere funktioniert nur, wenn man sich zuvor auf eine Arbeitsteilung geeinigt hat. Einer bleibt im Boot, und der andere gibt den Schleusenwärter. Kurz vor der Kammer geht er von Bord und bedient mit Hilfe der Betriebsanleitung die etwas in die Jahre gekommene Technik: Den schwarzen Hebel auf Bergfahrt umlegen, bis die Kammer voll ist, Kanu rein, Hebel auf Talfahrt stellen und einen roten Knopf gedrückt halten.
Tatsächlich! Das Schleusentor schließt und das Boot senkt sich leicht schaukelnd auf das Niveau des alten Flussarmes ab. Derweil spaziert der Schleusenwärter eine Treppe hinunter und steigt unten wieder ins Kanu ein. Die Bootsfahrt auf der Mainschleife kann beginnen.
Sie beginnt etwas täppisch, weil zwei Neulinge erst den Umgang mit einem Stechpaddel lernen müssen. Doch auch das steht im Tourenguide, der fest verschweißt selbst einen Tauchgang schadlos überstehen würde. Auch die Besatzung ist gut gesichert, trägt vorschriftsmäßig Schwimmwesten und mehrere Notrufnummern am Körper.
Es dauert nicht lange, bis der Kahn zu gleiten beginnt. Mit vier Stundenkilometern schiebt der Main seine Fahrgäste fast wie von selbst flussabwärts. Ab und an muss man ein bisschen korrigieren, ein wenig lenken, schauen, dass man nicht zu weit links oder zu weit rechts kommt.
Die anfängliche Anspannung ist einer stillen Faszination gewichen. Silberweiden hängen ihre Köpfe ins Wasser, Seerosen blühen in verträumten Buchten am Rande, Kormorane trocknen auf Kiesbänken ihr schwarzes Gefieder. Der vom Schiffsverkehr seit 1957 befreite Altmain zwischen Volkach und Sommerach gehört heute wieder der Natur. Bachstelzen gibt es hier, Störche, selbst Eisvögel werden ab und an beobachtet.
Nach einer Kanustunde ist Nordheim erreicht. Hier rumpelt eine 63 Jahre alte Fähre übers Wasser, verbindet den Ort mit dem gegenüberliegenden Escherndorf. Zeit für einen kleinen Stopp und eine Siesta. In Nordheim gibt es eine Kanu-Anlegestelle, eine köstliche Eisdiele und einen künstlich aufgeschütteten Sandstrand, auf den man sich legen kann.
Zwei Stunden dauert die Bootsfahrt von Volkach nach Sommerach, doch wer die Zeit genießen will, ist mindestens drei oder vier unterwegs. Macht ausgiebig Pause, bremst an den kleinen Buchten ab, genießt den Ausblick auf die schönen Weinlagen, die hier so lustige Namen tragen wie Escherndorfer Lump oder Neuseser Glatzen. Die Volkacher Mainschleife ist mitten im fränkischen Weinland, die zwischen Kanal und Altmain gelegene Weininsel eines der gefragtesten Anbaugebiete der Region.
In Sommerach ist die Kanutour zu Ende. Sie war acht Kilometer lang und das, was Menschen mit wenig Zeit und Erfahrung gerne machen. Ein Bus bringt Boot und Besatzung zurück zum Ausgangspunkt nach Volkach. Eine Kleinstadt mit ansehnlichen Fachwerk- und Renaissancehäusern sowie zahlreichen Winzerhöfen. Dort kann man sich in eines der vielen Weinlokale setzen und ausgiebig darüber erzählen, wie man. völlig ohne Vorkenntnisse, den hochkomplizierten Prozess einer Mainschleusung souverän gemeistert hat.
- Touristinformation Volkacher Mainschleife, Rathaus, 97332 Volkach, Tel.: (09381) 401 12, www.volkach.de
- Waterwalker Kanuladen und Schule, Mühlgasse 3, 97230 Würzburg / Estenfeld, Tel.: (09305) 84-58, Fax: - 87, E-Mail: info@waterwalker.de, www.waterwalker.de.
- Die Broschüre »Reisen zum Frankenwein« mit vielen Tipps zu Weingütern der Region gibt es beim Tourismusverband Fränkisches Weinland, Am Congress Centrum, 97070 Würzburg, Tel.: (0931) 37 23 35, www.fraenkisches-weinland.de.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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