Vollversicherung in der Pflege
LINKE diskutiert über Modellrechnung
Auf einer Veranstaltung der Linksfraktion im Bundestag und der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutierten am Donnerstag in Berlin Vertreter aus Politik, Gewerkschaften und Wissenschaft das Pflegekonzept der LINKEN. Danach sollen die Sachleistungen für die ambulante, stationäre und teilstationäre Pflege um 25 Prozent erhöht werden. Die Finanzierung wäre durch Einbeziehung aller bisher privat versicherten Lohnabhängigen, Beamten und Selbstständigen deutlich gestärkt, zumal weitere Einkommen wie Zins- und Kapitalerträge belastet werden sollen.
Inhaltlich sei der »Teilkasko-Kompromiss« in der Pflege zu überwinden, so die Bundestagsabgeordnete Martina Bunge. Stattdessen solle eine Vollversicherung eine Versorgung hoher Qualität ermöglichen. Dabei ist aber die auch von der Regierung lange angekündigte Neudefinition des Pflegebegriffs mit ihren Auswirkungen – unter anderem für die Betreuung der Demenzkranken – noch nicht eingerechnet. Zu den weiteren Details des Modells gehöre die Abschaffung des Sonderbeitrages für Kinderlose und die Wiederherstellung der paritätischen Beitragszahlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Bunge warnte davor, sich vom Argument des demografischen Wandels in die Irre führen zu lassen: »Die Pflegebedürftigkeit wächst nicht im gleichen Maße wie die Anzahl der älteren Menschen.« Immer mehr Ältere bleiben länger gesund.
Die LINKE will zudem Gesundheit und sozialen Status im Zusammenhang betrachten. Nach Angaben von Thomas Gerlinger von der Universität Bielefeld ist das Schlaganfallrisiko der ärmsten zwei Fünftel der Bevölkerung im Alter zwischen 40 und 49 Jahren 7,5 Mal höher. Auf die bestehende soziale Kluft deute auch hin, dass das Alter der Erstantragssteller in der privaten Pflege fünf Jahre über dem in der Gesetzlichen Pflegeversicherung liege. Insofern fordert der Soziologe von der LINKEN, die Pflege als Gleichheitsprojekt anzugehen. Kathrin Senger-Schäfer, pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, wies darauf hin, dass über das Konzept die Beitragsbelastung der unteren 60 Prozent der Haushalte sinken würde.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Überwindung der prekären Zustände im Pflegebereich. Die Mindestlöhne seien noch nicht zufriedenstellend, erklärte ver.di-Vertre- ter Herbert Weisbrod-Frey, der Tarifverträge bei allen Trägern fordert.
Mehrfach wurde in der Debatte darauf gedrängt, spätestens in der nächsten Legislaturperiode grundlegende Änderungen in der Pflegefinanzierung zu erreichen; die weiter ansteigende Kopfpauschale sei nicht mehr abwendbar. Bisher, so Martina Bunge, habe aber weder die Regierung ihre Vorschläge für eine Pflegereform auf den Tisch gelegt noch sei sich etwa die SPD einig, ob sie zu einem eher steuerfinanzierten Modell tendiere. Auch die Gewerkschaften werden erst im Spätherbst weiter diskutieren.
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