Vor 100 Jahren hob Deutschlands erste Pilotin ab

Amelie Beese machte mit 25 ihren Pilotenschein und kämpfte ihr ganzes Leben lang gegen Hindernisse

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Ralf E. Krüger, dpa

Deutschlands erste Motorpilotin war gesellschaftlich eine Sensation. Hedwig Amelie Beese hieß die Frau, die vor 100 Jahren in eine Männerdomäne einbrach. Es war ein Kampf gegen Vorurteile und Hindernisse.

Erwünscht war Deutschlands erste Pilotin nicht. An offener Abneigung mangelte es ebenso wenig wie an Sabotageakten: »Bald waren ein paar Zündkerzen gegen verrußte ausgetauscht, bald das Benzin bis auf einen geringen Rest abgelassen worden, so dass ich natürlich mitten in der Prüfung aufhören und schleunigst notlanden musste«, notierte sie. Die Bildhauerin aus Dresden blieb unbeirrt. Am 13. September 1911 macht sie sich am 25. Geburtstag in Berlin-Johannisthal das schönste Geschenk: Als erste Frau überhaupt in Deutschland erhielt sie den Pilotenschein, die Lizenz Nummer 115.

»Nur nach Überwindung erheblicher Schwierigkeiten ... gelang es mir endlich, die vorgeschriebenen Flüge und Landungen ohne Zwischenfall zu erledigen; und als meine Mitschüler und Lehrer an diesem Morgen auf dem Flugplatze eintrafen, war das Unglück geschehen, und – ich war Pilot«, schrieb sie. Mutig hatte sie gegen Konventionen verstoßen, die die gesellschaftliche Stellung der Frau eindeutig am heimischen Herd sahen. Die Architektentochter hatte zunächst Bildhauerei in Stockholm studieren müssen – im Deutschland war der Zugang zu Universitäten Frauen weitgehend verschlossen. Nach ihrer Rückkehr bereitete sie sich auf ihre ersten praktischen Versuche als »Aviatiker« vor. Im November 1910 schrieb sie sich für eine Pilotenausbildung in Johannisthal bei Berlin ein. Nach mehreren Absagen kam von der »Ad astra Fluggesellschaft« die Zusage – nach Zahlung einer Bruchkaution. Bruchlandungen waren eher Regel als Ausnahme. »Das Flugzeug muss nach der Landung flugfähig sein«, so die Prüfungsordnung. Beese blieb nicht verschont: Bei einer Bruchlandung zog sie sich einen fünffachen Beinbruch zu.

Engagiert baute sie dennoch ihre Stellung in der Männerwelt aus, indem sie eine Flugschule mit Luftfahrtwerft aufbaute. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs heiratete sie den Franzosen Charles Boutard. Zu anderen Zeiten hätten sie Europas Traum-Fliegerpaar werden können – nun schlug ihnen offene Ablehnung entgegen. Beese und ihr Ehemann wurden schikaniert und in den Ruin getrieben. Sie galt nach ihrer Heirat als Französin.

»Am 1. August 1914 wurden mein Mann und ich bereits als feindliche Ausländer verhaftet«, schrieb sie. Als er seinen eigenen Flugzeugtyp bauen konnte, schrieb sie, brach der Krieg aus und fegte ihn als das Werk eines Franzosen erbarmungslos auf den großen Müllhaufen. Den hätten »patriotische« Fanatiker allem Nicht-Deutschen geschichtet.

Nach Kriegsende klagte Beese auf Schadenersatz. Als der kam, entwertete die Inflation das Geld. Den fliegerischen Neuanfang verpatzte Beese mit einer Bruchlandung. Am 22. Dezember 1925 erschoss sie sich. »Fliegen ist notwendig. Leben nicht«, schrieb sie zuvor auf einen Zettel. Deutschland tat sich auch später schwer mit seiner faszinierenden Pilotin. Erst Mitte der 1980er Jahre ließ ihre Heimatstadt Dresden eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus im Ortsteil Laubegast anbringen. 1992 widmete ihr das Museum in Treptow eine Ausstellung.

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