Halbe Wahrheit
Kommentar von Jürgen Amendt
Um es vorweg zu sagen: In einem Punkt muss die OECD korrigiert werden. Der Anteil der Hochqualifizierten ist in Deutschland durchaus groß, auch wenn die Zahl der Hochschulabsolventen im Vergleich zu anderen Industriestaaten klein ist. Doch das ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist allerdings wenig schmeichelhaft für das staatliche Bildungssystem und die deutsche Bildungspolitik: Ein erheblicher Teil der Beschäftigten in hochqualifizierten Berufen hat nicht den herkömmlichen Bildungsweg – Schule und Studium an einer öffentlichen Hochschule – beschritten, sondern musste sich über beschwerliche Umwege und auf eigene Kosten bzw. auf Kosten der Unternehmen für ihre Tätigkeit qualifizieren. Das öffentliche, staatliche Bildungssystem versagt bei der Ausbildung im tertiären Sektor. Verantwortlich dafür ist die nach wie vor geringe Durchlässigkeit des Bildungssystems nach oben.
Jahrzehntelang wurde in der Bundesrepublik dieses Manko von konservativen Bildungspolitikern mit Verweis auf das duale System in der Berufsausbildung kaschiert. In der Tat ist die grundständige Berufsausbildung, in der sich Wirtschaft und Staat die Aufgaben aufgeteilt haben, ein Qualitätsmerkmal – jedoch ein gewesenes, denn in so gut wie allen qualifizierten Tätigkeiten in der Industrie reicht eine dreijährige Lehre eben nicht mehr aus. Mag für diese ein Hauptschulabschluss noch genügen, für das, was danach benötigt wird, braucht es mehr.
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