»Die Krise wird sich auf Zypern auswirken«
Ándros Kyprianoú über die aktuelle Situation auf der geteilten Insel
ND: Die zyprische Regierungspartei AKEL musste vor wenigen Wochen die Regierung umbilden, nachdem die bürgerliche DIKO die Koalition aufgekündigt hat. Im vergangenen Jahr hatte bereits die sozialdemokratische EDEK die Regierung verlassen. Wie laufen die Dinge?
Kyprianoú: Es stimmt, dass beide Koalitionäre die Regierung inzwischen verlassen haben. Und das weist auf ein grundsätzliches Problem der Opposition in Zypern hin. Denn gleich, wie das Kabinett gestaltet wird oder welche Ergebnisse die Regierung vorzuweisen hat: Die Opposition wird stets alles in Grund und Boden verdammen, was von dieser Regierung kommt. Dahinter steht eine grundsätzliche Feindschaft gegen die AKEL und Dimitris Christofias als Präsidenten. Als er 2008 die Wahlen gewonnen hatte, waren die übrigen Parteien sehr konsterniert, denn zum ersten Mal war die Linke an der Regierung. Dagegen wird seither ein wahrer Feldzug geführt, unter dem die Interessen des Landes leiden.
Was sind die konkreten Konfliktpunkte?
Zum einen der entschlossene Umgang der amtierenden Regierung mit dem Zypern-Problem. Präsident Christofias hat konkrete Vorschläge für ein föderatives System beider Landesteile, des Nordens und des Südens, auf den Verhandlungstisch gelegt. Und das macht den Unterschied zu einigen etablierten Parteien der griechisch-zyprischen Gesellschaft aus: Sie reden viel über eine Zwei-Zonen-Lösung, wollen aber einen Staat.
Inwieweit tragen linke Politikkonzepte der AKEL-Regierung zu den Konflikten bei?
Die Sozialpolitik ist der zweite große Konfliktpunkt, weil sie mit den bisherigen Ansätzen gebrochen hat. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: In den drei Jahren der Christofias-Regierung wurden die Niedriglöhne um zwölf Prozent angehoben, ebenso die Sozialleistungen.
Zugleich hat die Wirtschaftskrise auch Zypern nicht verschont. Wie wollen Sie die Sozial- und Umverteilungspolitik unter den gegenwärtigen Bedingungen beibehalten?
Es stimmt, wir sind in einer schwierigen Situation, weil Zyperns Binnenwirtschaft in einem hohen Maße vom Ausland abhängig ist. Die wichtigste Einnahmequelle ist der Tourismus. Eine Verschärfung der Krise in der EU wird sich in diesem Bereich unmittelbar auch auf die Entwicklung in Zypern auswirken. Das trifft auch einen zweiten Bereich, die Bauindustrie, die vor allem Ferienwohnungen für Ausländer errichtet. Rund 40 000 dieser Wohneinheiten stehen leer, so dass schon 2009 ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro entstand. Zum Vergleich: Der Jahreshaushalt in der Republik Zypern beträgt acht Milliarden Euro. Dennoch ist die Wirtschaftsstruktur stabil. Das Defizit konnte auf vier Prozent gesenkt werden, die Arbeitslosigkeit liegt bei sieben Prozent. Aber Liquiditätsengpässe und die hohe Belastung der Banken durch griechische Anleihen in Höhe von 17 Milliarden Euro haben die Herabstufung Zyperns durch Ratingagenturen provoziert.
Gefährdet all dies nicht die Sozialpolitik?
Es schafft zumindest Spannungen mit den übrigen Parteien. Wir plädieren dafür, Zuwendungen für Bürger mit einem Jahreseinkommen von mindestens 60 000 Euro einzustellen, um Ressourcen zu sparen und um uns auf die Bedürftigen zu konzentrieren. Zugleich gestalten wir die Politik gemeinsam mit den Gewerkschaften des Landes. Und wir sparen im Regierungsapparat ein. Durch einen Abbau von Auslandreisen und andere Maßnahmen wurden etwa 230 Millionen Euro eingespart. Mehrere Initiativen zur Besteuerung von Unternehmen und von Vermögenden wurden aber im Parlament behindert.
Neben der wirtschaftlichen und innenpolitischen Lage steht eine Lösung des Zypern-Problems aus. Wird es bis zur Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch die Republik Zypern Mitte 2012 ein Ergebnis geben?
Zunächst haben uns die Äußerungen aus der Türkei nicht gerade ermutigt. Das betrifft die jüngsten Drohungen von Ministerpräsident Erdogan ...
... der angekündigt hat, die Beziehungen zur EU mit Zypern an der Spitze einzufrieren ...
... und auch anderer Funktionäre wie Außenminister Davutoglu. Sie reden weiter von der Etablierung zweier autarker Staaten. Und wir hören vermehrt, dass die Interessen der Türkei gewahrt bleiben müssten, niemand spricht in Ankara von den Interessen der türkischen und griechischen Zyprer. Das ist sehr negativ und leider rennt uns die Zeit davon. Die Türkei droht uns aus zwei Gründen: Zum einen geht es um die zyprische Ratspräsidentschaft, die die Türkei verhindern will. Die EU sollte darauf eine deutliche Antwort geben. Zum anderen geht es um die Erdöl- und Erdgasvorkommen in den Gewässern Zyperns. Als wir mit Probebohrungen begannen, drohte die Türkei mit einem »zweiten 1974«, einer neuerlichen Militärintervention also. Russland und die USA haben darauf klar geantwortet. Die EU sollte das auch tun.
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