Sind sie mit dem Gehalt abgegolten?
Leserfrage zur Bezahlung von Überstunden
Ich bin als Bereichsleiter in Vollzeit tätig. In meinem Arbeitsvertrag steht, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Ich mache fast regelmäßig sechs bis zehn Überstunden wöchentlich ohne Gegenleistung des Betriebes. Ist es korrekt, dass ich dafür kein Entgelt erhalte?
Werner B., Dresden
Leider gibt es auf dem Gebiet des Arbeitszeit- und Überstundenrechts vielfach Praktiken, die mit dem geltenden Recht nichts zu tun haben. So ist es verbreitete Praxis in Betrieben aller Größen, der zeitweilig enorm wachsenden Anzahl von Überstunden oder auch Auftragsschwankungen möglichst kostengünstig mit speziellen Vereinbarungen entgegenzuwirken. Dazu gehören auch vertragliche Vereinbarungen über flexible Arbeitszeiten und von Arbeitszeitkonten. Eine weitere Form, die eher in nichttarifgebundenen Unternehmen angewandt wird, sind solche Vereinbarungen über die Überstundenabgeltung durch das Gehalt.
Bei tarifgebundenen Betrieben setzt der geltende Tarifvertrag Grenzen, vor allem in der Anzahl zulässiger Überstunden und vor allem deren Bezahlung oder Abgeltung durch Freizeit inclusive Zuschlagzahlung. In nichttarifgebundenen Betrieben bleibt es – soweit kein Betriebsrat besteht – den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag überlassen. Es gibt zwar keinen gesetzlichen Anspruch auf Überstundenzuschläge, aber jede über die vereinbarte tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde ist zu entgelten (§ 611 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB).
Soll die Überstundenleistung mit dem Gehalt abgegolten sein, so ist dies in einer vertraglichen Vereinbarung zwar zulässig, muss sich aber im Rahmen der gesetzlichen Höchstarbeitszeit bewegen. Hinzu kommt, dass solche Vereinbarungen auch mit Arbeitnehmern getroffen werden, deren Stunden- oder Monatslohn durchaus nicht üppig ist, sie also nicht selten den Eindruck haben, im Verhältnis zu anderen Beschäftigten mit ihren Gehältern und ohne Überstunden zeitweilig »umsonst« zu arbeiten. Darauf sollten Mitarbeiter schon bei Vertragsabschluss achten, ob die vereinbarte Gehaltshöhe die geforderte Zusatzleistung zumindest pauschal berücksichtigt.
Im Hinblick auf die Überstundenvereinbarungen hat die Rechtsprechung unter Bezug auf § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Grenzen gesetzt. Sollen Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein, dann ist dies nur zulässig, wenn dabei die gesetzliche Höchstarbeitszeit von derzeit 48 Wochenstunden nicht überschritten wird. (Herzuleiten aus dem im § 3 Abs.1 ArbZG gesetzlich geregelten 8-Stunden-Tag werktäglich, also von Montag bis Samstag). Das bedeutet praktisch, dass eine Vereinbarung, wonach mit dem Gehalt alle Überstunden abgegolten sind, unzulässig, weil gesetzwidrig ist. Selbst wenn solch eine Vereinbarung existiert, hat der Beschäftigte, soweit er mit seinen Überstunden seine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden überschreitet, Anspruch auf Bezahlung für die überschrittene Arbeitszeit.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte schon 2005 in einer Grundsatzentscheidung auf die gesetzliche Grenze im Zusammenhang mit Überstundenabgeltung durch das Gehalt hingewiesen (BAG vom 28. September 2005, Az. 5 AZR 52/05). Es fordert die gesonderte Vergütung dieser Überstunden, weil die Abgeltung mit dem Gehalt nur im Rahmen der gesetzlichen Höchstarbeitszeit möglich ist.
Arbeitnehmern ist daher zweierlei zu raten:
1. Über geleistete Überstunden ist exakt Buch zu führen. Wenn ein Anspruch geltend gemacht werden soll, bedarf es des detaillierten Belegs, der zudem vom Arbeitgeber in kürzeren Abständen (wöchentlich) zu bestätigen ist.
2. Statt eine Abgeltungsvereinbarung abzuschließen, sollte eine Vereinbarung getroffen werden, dass die Überstunden entweder bezahlt oder durch Freizeit abgegolten werden, wobei es hierbei nicht um Überstunden über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus geht, sondern generell um Überstunden. Das sind alle über die tarifliche oder arbeitsvertragliche vereinbarte Wochenarbeitszeit (39 oder 40 Wochenstunden) hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Diese Vereinbarung sichert dem Arbeitnehmer die Gegenleistung für Überstunden.
Prof. Dr. JOACHIM MICHAS
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.