Eine Idee, deren Zeit noch nicht gekommen ist
Auch wenn man bei ver.di das Thema heute diskutiert – die »Woche des Grundeinkommens« findet wenig Beachtung
Haben Sie es bemerkt? Wir stecken mitten in der »Woche des Grundeinkommens«. Doch in den Medien spielt das Thema momentan keine große Rolle. Das war vor zwei Jahren noch ganz anders. Im Februar 2009 sorgte die erfolgreiche Online-Petiton der Greifswalderin Susanne Wiest für Furore. Mehr als 50 000 Bundesbürger hatten innerhalb weniger Wochen ihre Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen von 1500 Euro mitunterzeichnet. Die Medien berichteten begeistert über die »erfolgreichste Petition der letzten Jahre« und damit auch über das Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Also eine staatliche Transferleistung, die jedem Bundesbürger zugute kommen soll – egal ob arm oder reich. Eine entsprechende Gegenleistung wird dafür nicht verlangt.
Frei von ökonomischen Zwängen könnte man so auch jene Tätigkeiten verrichten, die sonst nur schlecht oder gar nicht bezahlt werden – etwa im Sozialbereich. Der Unternehmer Götz Werner, selbst Anhänger des BGE, glaubt, dass dadurch schlecht bezahlte, aber notwendige Arbeit besser entlohnt werden würde. Auch weil für bislang wenig attraktive Arbeiten bessere Bedingungen geschaffen werden müssten.
Doch während der Vorstoß von Susanne Wiest im Jahre 2009 noch auf fruchtbaren Boden fiel und der Bewegung für ein Grundeinkommen neuen Schwung verlieh, scheint es im September 2011, als ob die Befürworter an Elan verloren hätten. Sicher auch, weil die Krise überstanden scheint und die schwarz-gelbe Koalition in Berlin bereits von »Vollbeschäftigung« träumt.
Ganz zum Erliegen gekommen ist die Diskussion über die Zukunft der Erwerbsarbeit aber noch nicht. So befasst sich der ver.di-Bundeskongress am heutigen Donnerstag mit mehreren Anträgen zum Thema. Ganz normal sei dies, betonte Elke Hannack vom ver.di-Bundesvorstand gegenüber ND. Über das Grundeinkommen werde »immer mal wieder diskutiert«.
Zumal es auch innerhalb der Gewerkschaft viele Befürworter gebe, erläuterte Hannack. »Und dies über die Landesbezirke hinweg.« Die entsprechenden Anträge zum Bundeskongress kämen aus so unterschiedlichen Bezirken wie Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt oder Hessen. Allerdings habe sich der Bundeserwerbslosenausschuss von ver.di gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, so Hannack. Dem Ausschuss sei die Pauschalierung des BGE nicht »differenziert« und »bedarfsgerecht« genug.
Auch innerhalb der LINKEN ist das Thema umstritten. Im Leitantrag des Vorstands zum Programmparteitag in Erfurt heißt es, dass »Teile der LINKEN« das Konzept des Grundeinkommens »vertreten«. Dieses Konzept werde in der Partei »kontrovers« diskutiert. »Diese Diskussion wollen wir weiterführen.« Soweit der Text. Dass es diese Formulierung überhaupt in den Leitantrag geschafft hat, ist sicher auch ein Verdienst der stellvertretenden Parteivorsitzenden Katja Kipping. Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion gilt als überzeugte Verfechterin des Grundeinkommens. Doch vor allem der gewerkschaftsnahe Parteiflügel ist von der Idee wenig angetan. Die Genossen favorisieren das Modell einer »bedarfsorientierten Grundsicherung«.
Befürworter und Gegner des BGE hätten sich im Vorfeld geeinigt, dass es in Erfurt keine Entscheidung in der Sache geben soll, sagte Kipping am Mittwoch dieser Zeitung. »Wir planen zwar eine längere Aussprache, doch wir wollen die Diskussion ganz bewusst offen halten«, so Kipping. Auch weil viele Parteimitglieder selbst noch unentschieden seien.
Vielleicht ist das BGE eine Idee, deren Zeit einfach noch nicht gekommen ist.
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