Der scheinbare Lohnzuwachs

Das Statistische Bundesamt liefert Daten, die zu schön sind, um die Realität abzubilden

  • Wolfgang Kühn
  • Lesedauer: 2 Min.

»Die Reallöhne, das heißt die preisbereinigten Bruttomonatsverdienste vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, stiegen vom zweiten Quartal 2010 bis zum zweiten Quartal 2011 um durchschnittlich 1,9 Prozent«, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mit. Die Nominallöhne seien in diesem Zeitraum um 4,2 Prozent gestiegen, die Verbraucherpreise erhöhten sich um 2,3 Prozent. »Der Anstieg der Reallöhne ist der dritthöchste seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008. Die Nominallöhne wuchsen so stark wie noch nie in diesem Zeitraum, so das Fazit der Bundesstatistiker.

Man kann diese Meldung leicht mit der Botschaft des Wirtschaftsexperten der FDP, Rainer Brüderle, verbinden, dass sich Deutschland im XXL-Aufschwung befinde. Doch die Realität sieht völlig anders aus.

Einzelne Quartalsergebnisse sind natürlich noch kein Indiz für einen Aufschwung, besonders wenn man die Lohnentwicklung im Einzelnen analysiert. Das zweite Quartal ist nämlich ein sehr »lohnintensiver« Zeitabschnitt, da weniger Urlaub anfällt und Witterungseinflüsse wie in den Wintermonaten den Wirtschaftsablauf nicht beeinträchtigen. Fügt man die Ergebnisse der Lohnstatistik der beiden ersten Quartale dieses Jahres zusammen, so verbleibt für das erste Halbjahr lediglich ein Nominallohnzuwachs von 3,0 Prozent. Das bestätigen auch die nur im Internet angebotenen Daten des Statistikamtes zur von Saison- und Kalenderunregelmäßigkeiten bereinigten Lohnentwicklung.

Darüber hinaus wird in diesen Meldungen lediglich die Lohnentwicklung einer Gruppe von privilegierten Beschäftigten herausgehoben – nämlich die der Vollzeitbeschäftigten. 2011 gehören aber nur noch 68 Prozent aller in der Lohnerhebung erfassten Personen zu dieser Gruppe. Die Monatslöhne der Teilzeitbeschäftigten um nur 2,6 Prozent im zweiten Quartal, die ein Fünftel der abhängig Beschäftigten repräsentieren, wurde unterschlagen. Das gleiche trifft für die geringfügig Beschäftigten zu, deren Monatslöhne sich von 271 Euro auf 278 Euro lediglich um 2,3 Prozent erhöhten. Also nur ein Teil der deutschen Arbeitnehmer kam in den Genuss von »in Rekordgeschwindigkeit« gestiegener Löhne.

Zu einer realistischen Lohnanalyse gehört schließlich auch die Entwicklung der Arbeitszeiten, die in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes ebenfalls ausgeklammert wurde. Die Wochenarbeitszeit je Beschäftigten erhöhte sich im ersten Halbjahr von etwa 38,5 Stunden im Jahr 2010 auf etwa 39 Stunden in diesem Jahr. Das ist also eine Verlängerung der Arbeitszeit um etwa 1,5 Prozent. Daher schrumpft – auf Basis der Stundenlöhne – der Nominallohnzuwachs im ersten Halbjahr auf nur noch 1,5 Prozent – und bleibt so unter der Preissteigerungsrate von 2,3 Prozent.

Fazit: Auf Basis der geleisteten Arbeitsstunden gibt es keinen Zuwachs an Reallohn – die Stagnation der Reallöhne in der Bundesrepublik bleibt bestehen.

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