Barroso legt vor
EU-Kommission präsentiert Vorschlag zur Finanztransaktionssteuer
Brüssel/Straßburg (Agenturen/ND). Die Europa-Behörde hat am Mittwoch ihren Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer vorgestellt. Eine solche Steuer könne 55 Milliarden Euro jährlich einbringen, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor dem Europaparlament in Straßburg. Die EU-Staaten hätten seit Beginn der Finanzkrise 4,6 Billionen Euro vor allem als Garantien für den Finanzsektor zur Verfügung gestellt. »Es ist jetzt an der Zeit, dass der Finanzsektor einen Beitrag zur Gesellschaft leistet«, sagte Barroso.
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission würde die Steuer auf alle zwischen Finanzinstituten durchgeführten Transaktionen mit Finanzinstrumenten erhoben werden, sofern mindestens eine Transaktionspartei in der Europäischen Union ansässig ist. Unterschiedliche Regeln den EU-Mitgliedstaaten würden harmonisiert. Ferner sollen Brüssel und die EU-Länder sich die Einnahmen teilen. Damit steuert die Behörde auf heftige Debatten mit Deutschland und anderen Regierungen zu. Die Bundesregierung ist inzwischen zwar grundsätzlich für eine Finanztransaktionssteuer, möchte die Einnahmen aber in die nationalen Haushalte einspeisen. Eine »EU-Steuer« lehnt Berlin ausdrücklich ab.
»Mit diesem Vorschlag wird die EU ein Vorreiter bei der Umsetzung einer weltweiten Transaktionssteuer«, sagte der EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung erwarteten die Bürger »einen fairen Beitrag vom Finanzsektor«. Er sei zuversichtlich, dass auch die übrigen Länder der G20-Staatengruppe aus Eigeninteresse den Weg der EU einschlagen werden. Zudem wird der Sektor im Vergleich zu anderen Sektoren gegenwärtig zu gering besteuert.
Entwicklungsexperten verlangten, die Einnahmen aus der Steuer müssten auch den Ärmsten der Welt zugute kommen. »Arme Länder leiden im Moment unter einem Rückgang der Hilfsgelder, des Handels und der Investitionen«, unterstrich die Organisation Oxfam in Brüssel. Die EU solle daher einen bedeutenden Teil der Gelder abgeben, »anstatt nur ihren eigenen Haushalt zu stützen«. Nötig seien klare Versprechen im Kampf gegen Klimawandel und Armut.
Aus dem Europaparlament kam Zustimmung zu dem Vorschlag. In Deutschland stieß er vor allem bei der FDP auf Skepsis. Eine Finanztransaktionssteuer biete nur eine »Scheinlösung« an, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. »Zahlen werden es die Kunden, nicht die Banken«, sagte er. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der FDP eine Blockadehaltung in der Frage der Finanzmarktsteuer vor. »Damit betreibt sie Lobbypolitik für unverantwortliche Zocker in den Banken und an den Börsen und bürdet allein den Steuerzahlern die Lasten der Krise auf«, kritisierte Gabriel in Berlin. Weil etwa die britische Regierung aus Sorge um den Finanzplatz London dagegen ist, müsse die Steuer »schnellstmöglich zumindest in der Eurozone eingeführt werden«.
Eckpunkte
Der Handel mit Aktien und Anleihen soll nach dem Kommissionsvorschlag mit einem Steuersatz von 0,1 Prozent und Derivatkontrakte mit einem Steuersatz von 0,01 Prozent belegt werden. Dadurch wären jährliche Einnahmen von etwa 57 Milliarden Euro möglich. Grundsätzlich sollen alle Finanztransaktionen erfasst werden. Die Emissionsmärkte von Anleihen und Währungen sollen jedoch nicht besteuert werden, um die Kapitalbeschaffung von Regierungen und Unternehmen nicht zu erschweren. Konsumentenverträge wie Versicherungen, Hypotheken und Kredite fallen nicht unter die neue Steuer. dpa/ND
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