Schäbiger Alleingang
Kommentar von Ines Wallrodt
Der Bundestag hat ein neues Wahlrecht beschlossen, mit den Stimmen von Schwarz-Gelb, gegen die Opposition. Bei anderen Gesetzen ist so ein Ergebnis normal. Beim Wahlrecht nicht. Da ist es schäbig und verantwortungslos. Es ist, genauer, es war lange Tradition im Parlament, dass die Art, wie politische Macht legitimiert wird, im Einvernehmen aller Fraktionen verabschiedet wird. Aus gutem Grund. Das Wahlrecht ist eine fundamentale Spielregel der Demokratie, die kurzfristigen taktischen Erwägungen entzogen sein sollte. Ein gutes Kriterium, um das zum Ausdruck zu bringen, ist eine parteiübergreifende Einigung. Dass es die nun nicht gibt, ist ein fatales Zeichen. Die Koalition setzt mit ihrer knappen Mehrheit ein Wahlverfahren durch, nur weil es nützlich für sie ist. Die Union will auf Überhangmandate nicht verzichten, die ihr regelmäßig mehr Sitze bescheren, als nach den Zweitstimmen zustehen.
Früher tauchte dieses Problem kaum auf. Große Parteien, die üblicherweise viele Direktkandidaten ins Parlament schicken, hatten auch hohe Zweitstimmenergebnisse. Es kam selten zu »Überhängen«. Doch die Zeiten sind vorbei. Die großen Parteien gewinnen zwar immer noch viele Wahlkreise, fahren aber deutlich weniger Prozente ein. So ist der Fall nicht unwahrscheinlich, dass Rot-Grün bei der nächsten Bundestagswahl nach Stimmen vorn liegt, aber Schwarz-Gelb trotzdem regiert, dank der Überhangmandate. In Zukunft könnten die »Überhänger« sogar Fraktionsstärke haben. Zu Recht wollen die Oppositionsparteien diese Verzerrung des Wahlergebnisses abschaffen. Nun wird Karlsruhe erneut Schiedsrichter spielen müssen. Es ist beschämend.
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