Im Schlemmerland der kreativen Dickköpfe
Mit Genuss fängt man Gäste: Kötschach-Mauthen wirbt für sich als »das köstlichste Eck Kärntens«
Kötschach-Mauthen? Erst ein Blick auf die Karte bringt Orientierung: Der Ort liegt in Kärnten, genauer, im Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien. Rund 3500 Menschen leben hier im Gailtal, eingerahmt von den Gailtaler- und den Karnischen Alpen, wo man die Qual der Wahl zwischen 750 Kilometer Wanderwegen im Sommer und 300 Kilometer Läupen im Winter hat. Ein schönes Fleckchen Erde, ein sehr schönes sogar, aber mal ehrlich: Wandern und Skifahren kann man auch anderswo gut, dafür muss mannichtunbedingtsoweitfahren!
Kötschach-Mauthens wirkliche Attraktion sind seine kreativen Dickköpfe. Menschen, die, jeder auf seine Art, ein bisschen verrückt und querdenkend sind, und die alle eines verbindet: Sie sind leidenschaftliche Genießer und wollen das auf andere übertragen. Nach dem Motto: »Tu Gutes und rede darüber« lassen sie nichts unversucht, dass möglichst viele davon erfahren und deshalb in den südwestlichsten Zipfel Kärntens kommen. Wandern und Skifahren können sie ja trotzdem.
»Es stimmt schon, dass wir räumlich gesehen im hintersten Eck Kärntens leben, aber es ist das köstlichste Eck des Landes«, erklärt Herwig Ertl selbstbewusst. Das erzählt er jedem, gefragt oder ungefragt.
Denn Ertl ist das, was man einen exzellenten Selbstdarsteller nennt, eine Art Dauerwerbesendung für sich selbst und die anderen Kreativen. Was bei fast jedem anderen peinlich wirken würde, hat der Kaufmann erfolgreich zum Markenzeichen gemacht. Er ist gewissermaßen der Motor, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, und der sich immer wieder Neues einfallen lässt, um Leute von Nah und Fern in die Region zu locken. Seine »Bühne« ist sein Laden im Zentrum des Ortsteils Kötschach. Bei uns würde man ihn Tante-Emma-Laden nennen, in Österreich heißt so etwas Greißlerei. Das Angebot reicht von der Schuhbürste bis zu feinsten Delikatessen. Weshalb der Endvierziger sich gern auch Edelgreißler nennt. Jeder neue Kunde, er seinen Landen betritt, wird ganz schnell zum Tester. Öle, Essige, Weine, Käse, Wurst – an Ertls Probiertisch kommt keiner vorbei. Gerade als er zwei Wanderern einen Wein vom örtlichen Winzer Werner Holzfeind zur Verkostung anbietet, kommt ein Mann eilig in den Laden, der nur ganz schnell ein paar Eier kaufen will. »Willst a Glaserl probieren?«, fragt Herwig Ertl, und
schon hat der Eilige alle Zeit der Welt. Braucht er auch, denn Ertl holt zu einem Vortrag aus über die Vorzüge der regionalen Weine im Allgemeinen und denen des höchstgelegenen Winzers Kärntens im Besonderen, rühmt dessen Kunst, vergisst selbstverständlich nicht zu erwähnen, dass sein Geschäft das einzige ist, wo man Holzfeinds Tropfen kaufen kann – es sei denn,
man macht sich selbst auf den Weg zum Winzer, was überhaupt die beste Idee wäre.
Warum eigentlich nicht? Es wird eine schweißtreibende Wanderung.
Holzfeinds 700 Weinstöcke wurzeln in 750 Meter Höhe. Weshalb ihn die meisten, als der inzwischen pensionierte Lehrer vor 25 Jahren die ersten pflanzte, für total übergeschnappt hielten. In dieser Höhe kann kein Wein gedeihen, waren sie sich sicher. Holzfeind ließ sich jedoch nicht abschrecken, besuchte Weinbaukurse, experimentierte mit verschiedenen Rebsorten – und siehe da, im Laufe der Jahre wurden die ungefilterten Rot- und Weißweine immer besser. In seinem Keller lässt er sie so lange in Glasballons, bis sie von selbst klar werden. »So bleiben alle Aromastoffe drin«, erklärt der 66-Jährige.
Wer sich zu ihm auf den nicht ganz leicht zu findenden steilen Weg macht, kann sich auf eine Verkostung freuen, und – so noch Vorräte da sind – auch eine Flasche kaufen. Denn mehr als 400 Flaschen geben Werner Holzfeinds Weinstöcke im Jahrnichther.
Auf dem Rückweg ins Tal führt der Weg vorbei am Café »Sanguisto«.
Helmut Thurner und sein Sohn Christian betreiben es seit einigen Jahren. 30 Jahre lang verdiente Helmut zuvor sein Geld ausschließlich mit dem Verkauf von Kaffeemaschinen. Bis ihn ein Schicksalsschlag zwang, sein Leben neu zu planen. Da er schon immer von der Qualität des Kaffees im nahen Italien begeistert war, entschloss sich Helmut, gemeinsam mit seinem Sohn eine eigene Rösterei zu eröffnen. Schon bald pilgerten viele Italiener nach Kötschach-Mauthen, weil ihnen der Kaffee dort besser schmeckte als zu Hause. »Immer öfter höre ich sogar, dass es den besten italienischen Espresso in Kärnten gebe«, erzählt Helmut Thurner nicht ohne Stolz, während er den Wanderern einen Cappuccino über die Theke schiebt.
Nicht nur auf dem zeigt der Kaffeeröster Herz, sondern auch für die Menschen, die die Bohnen produzieren.
Thurner ist Österreichs einziges Mitglied der in Amerika gegründeten Non-Profit-Organisation »Coffee Kids«. Von jedem verkauften Paket Bohnen geht ein Teil direkt an die Kaffeebauern.
Ebenso der gesamte Umsatz des Cafés von jedem 1. Oktober, an dem alljährlich in Österreich der »Tag des Kaffees« stattfindet. Da nimmt man doch gern ein Päckchen mehr mit nach Hause. Bevor der nächste Tag die Wanderer in weitere Schlemmerecken führt, lassen sie es sich in Barbara Klauss' »Schlank Schlemmer Hotel Kürschner« wohlgehen. Nun ja, mit dem Schlemmen hat das schon seine Richtigkeit, schlank allerdings wird nur, wer auch all die Sport- und Fitnessangebote des Hauses und
des riesigen Gartens nutzt. Barbara Klauss liebt es, ihre Gäste mit selbstgemachten Konfitüren, Tees oder Weinen aus dem eigenen Weingarten – die Werner Holzfeind für sie ausbaut – zu verwöhnen.
Schon zu Zeiten, als alle anderen Touristiker und Hoteliers der Region noch ausschließlich auf Gäste nördlich Österreichs setzten, hat sie die bei vielen Kärntnern nicht so geliebten südlichen Nachbarn umworben.
Heute sind viele ihrer Stammgäste Italiener. Seit 1986 führt die agile Hotelchefin ihr Haus konsequent ökologisch. Dafür wurde es als einziges Hotel Europas mit dem internationalen Umweltpreis des WWF ausgezeichnet.
Nach einem üppigen Frühstück machen sich die Wanderer am nächsten Morgen auf den Weg zu Alois Planner und Klaus Feistritzer. Die beiden jungen Männer lieben Bier, besonders das aus ihrer eigenen Spezialitätenbrauerei »Loncium«. Noch ist das Brauen für sie ein
Nebenerwerb, doch schon bald, so hoffen der 33-jährige Betriebswirt Alois und der 32-jährige Elektrotechniker Klaus, soll die kleinste Privatbrauerei Kärntens wenigstens einen von ihnen ernähren.
Ganze 350 Hektoliter Gerstensaft in fünf Sorten produzieren sie im Jahr, fast alles wird im Ort getrunken. Die Einheimischen lieben ihr Heimatbier, teilen aber gern mit durstigen Touristen.
Natürlich kann man es in den Gasthäusern der Region trinken und selbstverständlich auch bei Herwig Ertl verkosten und kaufen. Besser aber schaut man in der Brauerei selbst vorbei. Denn Alois und Klaus brauen nicht nur, sie sind auch ausgebildete Biersommeliers und servieren gern nach Voranmeldung das passende Bier zum passenden Essen – gekocht von Alois, der auch gelernter Koch ist.
Wer will, kann die winzige Brauerei gern besichtigen oder an einem Braukurs teilnehmen. Anfangs wurden Alois und Klaus noch von vielen belächelt, heute verschicken sie ihr Bier sogar nach Übersee und werden von Fachleuten mit Lob überschüttet.
Wie auch Sepp Brandstätter, der eine regionale Maissorte vor dem Aussterben rettete und somit ein uraltes Kärntner Kulturgut. Der weiße »Gailtaler Landmais« wurde hier seit jeher für eine besonders feine Polenta angebaut. Doch im Laufe der Zeit verdrängten ihn viel ertragreichere und weniger arbeitsaufwendige Hybridmaissorten immer mehr von den Ackerflächen.
Wahrscheinlich wäre er ganz verschwunden, hätte sich der Landwirt und Bergführer nicht im letzten Moment um die aufwendige Vermehrung des Saatgutes gekümmert.
Heute baut er ihn wieder auf 20 Hektar an, sehr zur Freude von Polentaliebhabern und Menschen, die an einer Glutenunverträglichkeit leiden. Denn sein Mais, für den Brandstätter 2004 den höchstdotierten Innovationspreis Österreichs bekam, ist glutenfrei.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe neuer Rezepte für den »Gailtaler Landmais«. Entwickelt hat sie Sissy Sonnleitner, eine der bekanntesten und besten Köchinnen Österreichs.
Die von nationalen und internationalen »Fressfibeln« mit höchsten Auszeichnungen geadelte Mauthenerin gilt nicht nur als Erfinderin der Alpen-Adria-Küche, die das kulinarisch Beste aus dem Dreiländereck vereint, sondern sie rief vor zehn Jahren auch gemeinsam mit Tausendsassa Herwig Ertl die »Genussfestspiele Alpe tritt Adria« ins Leben. Diese vereinen alljährlich Produzenten und Feinschmecker in den besten Gasthäusern der Region zum Kosten und
Schlemmen. Vor wenigen Wochen waren Sissy Sonnleitner und Tochter
Stefanie in ihrem »Landhaus Kellerwand« zum wiederholten
Male selbst Gastgeber.
Für die Genussfestspiele nehmen viele eine weite Anreise auf sich
und bleiben dann gern noch ein paar Tage länger, um im köstlichsten Eck Kärntens genüsslich zu wandern und zuschlemmen.
- Infos zur Region: Karnische Tourismus GmbH, Hauptstraße 14, 9620 Hermagor, Tel. (0043) 42 82 31 31, www.naturarena.com
- Edelgreisslerei Herweg Ertl: www.kaeseschokolade.at
- Kaffeerösterei: www.sangiusto.at
- Hotel Kürschner: www.hotel-kuerschner.at
- Sissy Sonnleitner: www.sissy-sonnleitner.at
- Winzer Werner Holzfeind: www.werner.holzfeind.com
- Gailthaler Landmais: www.landmais.com
- Brauerei Loncium: www.loncium.at
- Genussfestspiele Alpe trifft Adria: www.genussfestspiele.at
- Anreise: Ab Köln und Berlin mit Germanwings, ab München und
- Frankfurt a. M. mit Lufthansa, ab Hamburg und Düsseldorf fliegt
- Condor nach Klagenfurt.. Von Flughafen bringt ein Airport-Shuttle die Gäste direkt zur Unterkunft (20 € pro Person).
- In dem gerade erschienenen Buch »Herzkraft – Das köstlichste Eck Kärntens erzählt« werden viele der Kreativen vorgestellt. ISBN: 978-3-9503185-0-0, 19,90 €
Mehr Fotos unter: www.neuesdeutschland.de/kaernten
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.