Mafiöse Zustände in Marseille

Skandal um Regionalpolitiker der Sozialisten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Sozialistische Partei Frankreichs hat sich kaum vom Skandal um Dominique Strauss-Kahn erholt, da droht neuer Schaden: Gegen einen Politiker aus dem Raum Marseille wurden Ermittlungen wegen krimineller Machenschaften eingeleitet.
Arnaud Montebourg, einer der Anwärter auf die Kandidatur für die Sozialisten bei den Präsidentschaftswahlen 2012, nahm vergangene Woche in Marseille an einem Treffen zum Thema Korruptionsbekämpfung teil. Das hatte nicht nur Brisanz, weil die Mittelmeerstadt eine traditionelle Hochburg der organisierten Kriminalität ist und die Verbrecher nicht selten über einen »guten Draht« zu örtlichen Behörden verfügen. Sondern auch, weil hier ausgerechnet ein prominenter Sozialist in einen derartigen Skandal verwickelt ist.

Die Justiz hat gegen Jean-Noel Guérini, den sozialistischen Präsidenten des Generalrats des Departements Bouches-du-Rhône, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er wird beschuldigt, seine Position für krumme Geschäfte genutzt zu haben. Mit seinem Bruder Alexandre, der im Mai in Untersuchungshaft genommen wurde, hat Guérini nach Überzeugung des Untersuchungsrichters eine »kriminelle Vereinigung« gebildet. Der Politiker versicherte zwar: »Ich werde beweisen, dass ich unschuldig bin. Das Ganze ist eine politische Verschwörung.« Doch im Interesse der Partei kündigte er an, seine Mitgliedschaft zeitweise ruhen zu lassen. Seine politischen Ämter will er aber nicht niederlegen, obwohl ihm dies Parteifreunde, allen voran der amtierende PS-Vorsitzende Harlem Désir, nahegelegt haben. Désir geht sogar noch weiter: »Dieses Ermittlungsverfahren muss endgültig Schluss machen mit dem System Guérini.«

Das meint auch Ségolène Royal, die betont, dass sozialistische Politiker »dienen und nicht sich bedienen« sollten. Sollte sie 2012 zur Präsidentin gewählt werden, dann werde sie dafür sorgen, dass jeder strafrechtlich verurteilte Politiker alle Ämter verliert. Montebourg fordert die sofortige Ersetzung Guérinis durch einen anderen sozialistischen Politiker, »der dort unten endlich ausmistet und aufräumt«. Bereits vor einem Jahr habe er nach einer internen Untersuchung im Departement Bouche-du-Rhône in einem Bericht an die Parteiführung »mafiöse Zustände« beklagt. Die damalige Parteivorsitzende Martine Aubry habe die Klage jedoch ignoriert und Guérini habe es ihr gedankt, indem er Aubry für die Abstimmung über die Präsidentschaftskandidatur seine Unterstützung zusicherte.

Die Justiz wirft Jean-Noel Guérini vor, bei öffentlichen Ausschreibungen Unternehmen bevorzugt zu haben, die seinem Bruder Alexandre gehören oder an denen er beteiligt ist. Alexandre betreibt unter anderem Mülldeponien. Als er eine davon erweitern wollte und der Besitzer des Nachbargrundstücks nicht verkaufen wollte, hatte der Generalrat das Terrain enteignet und sich dabei auf den »Artenschutz« berufen, weil dort angeblich eine seltene Pflanzenart wuchs. Von der war allerdings nicht mehr die Rede, als die Regionalregierung das Grundstück später an Alexandre Guérini weiterverkaufte.
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.