Endlich Unterstützung

Deutsche Turnerinnen setzen nicht mehr nur auf Grande Dame Oksana Tschussowitina

  • Frank Thomas, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit ihrem Alter kokettiert sie ebenso gern wie mit der Zahl ihrer WM-Starts. Aber Oksana Tschussowitina weiß genau, dass sie in beiden »Kategorien« allen Turnerinnen der Welt meilenweit voraus ist. »Ich zähle nicht mehr mit«, meinte sie vor dem heutigen ersten Auftritt der deutschen Riege im Metropolitan Gymnasium von Tokio schmunzelnd. In ihrem 23. Wettkampfjahr macht die gebürtige Usbekin nun das Dutzend voll und wird zum zwölften Mal bei einer Weltmeisterschaft an die Geräte gehen - keine Turnerin hat dies zuvor auch nur annähernd geschafft.

Dass sie mit ihrem Alter von 36 Jahren - genau 20 Jahre nach dem Gewinn ihres ersten WM-Titels - noch immer eine Stütze für das Team ist, bestätigt Cheftrainerin Ulla Koch. »Beim Podiumtraining war sie viel stärker als bei der EM.« Und obwohl die seit 1997 in Köln lebende Sprungspezialistin jetzt auch hauptamtlich als Cheftrainerin der usbekischen Riege tätig ist, gelte ihr Fokus allein ihrem Auftritt hier in Tokio. »Sie stellt sich ganz in den Dienst der Sache«, sagt Koch.

Die Sache, das ist für die Deutschen die Aktion »Tannenbaum statt Kienbaum«, sprich die direkte Olympiaqualifikation. Mindestens Platz acht ist nötig, um sich die zweite Olympiaqualifikation im Januar zu ersparen. Ulla Koch bremst zu hohe Erwartungen. »Alle wollen zu Olympia. Und der Weg geht auch über die zweite Qualifikation.« Das hieße dann allerdings intensive Vorbereitung zum Jahresende im Trainingszentrum Kienbaum, statt Weihnachtsfeier mit der Familie. Doch angesichts der starken WM-Konkurrenz ist das die wahrscheinlichere Variante.

Egal wie - Oksana Tschussowitina will in London unbedingt ihre sechsten Spiele erleben und sich damit in eine weitere Rekordliste eintragen. Athletinnen und Trainer aller Nationen begegnen ihr in Tokio mit höchstem Respekt. »Oksana ist wohl die einzige, die die jetzigen Trainer alle noch als junge Männer kennengelernt hat«, meinte Ulla Koch schmunzelnd über die routinierte Athletin, die Edelmetall bereits für vier Verbände holte: Zunächst für die Sowjetunion, dann für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), schließlich für Usbekistan und seit ihrer Einbürgerung 2006 für Deutschland.

Waren seitdem internationale Medaillen für deutsche Frauen fast allein der »Job« von Tschussowitina - sie holte sich insgesamt zehn bei WM (3/3/4) und fünf bei EM (2/3/0) -, so hatten bei der Europameisterschaft von Berlin bereits Elisabeth Seitz als Zweite im Mehrkampf und Kim Bui als Dritte am Stufenbarren - eine gewisse Wachablösung vollzogen und stehen Tschussowitina nun im Kampf um die Olympiatickets als starke Mehrkämpferinnen zur Seite.

»In London bin ich 37. Danach will ich unbedingt noch einmal mitmachen«, kokettierte Tschussowitina. Und niemand weiß bisher, ob sie nicht ihre im Spaß gemeinte Ankündigung für Rio de Janeiro 2016 nicht doch noch wahr macht. »Mir geht es gut. Die Übungen sitzen perfekt«, sagte sie am Tag vor dem Wettkampf in Tokio. Warum also aufhören?

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