Diplomaten - eine geschützte Spezies
Das Landesarbeitsgericht verhandelte eine Klage gegen Ausbeutung unter Botschaftsdächern
Geklagt hatte Prof. Dr. Heide Pfarr, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts und Geschäftsführerin der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sie nahm die Rechte für eine indonesische Hausangestellte wahr, die unter menschenunwürdigen Bedingungen bei einem saudi-arabischen Diplomaten in Berlin gearbeitet haben soll. Die Frau, die inzwischen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist, macht Ansprüche in Höhe von rund 70 000 Euro gegen den Diplomaten geltend. Der war erwartungsgemäß vor Gericht nicht erschienen und hat die Bundesrepublik möglicherweise ebenfalls verlassen.
Die Indonesierin, die 2009 von einer saudi-arabischen Arbeitsagentur angeworben wurde, ist nach eigenen Angaben wie eine Sklavin im Haushalt des Diplomaten gehalten worden. Bis zu 18 Stunden täglich musste sie arbeiten, schlafen durfte sie nur auf dem Fußboden. Angeredet wurde sie von der Familie mit dem arabischen Wort für »Scheiße«. Statt des in Deutschland gesetzlich zugesicherten Mindestlohns von 750 Euro erhielt sie 120 Euro. Sie wurde von ihrer siebenköpfigen »Gastfamilie« gedemütigt und geschlagen, die Wohnung durfte sie nicht verlassen, bis ihr schließlich im Oktober 2010 die Flucht aus der Hölle gelang. Der Attaché hat alle Vorwürfe über seinen Anwalt zurückweisen lassen.
Ein Diplomat genieße nach Artikel 31 des Wiener Übereinkommens von 1961 Immunität, das heißt, er kann in seinem Gastland zu Verfehlungen oder kriminellen Handlungen von der deutschen Justiz nicht belangt werden, argumentierte das Gericht. Das bekräftigte 1997 auch das Bundesverfassungsgericht. Damals ging es um einen Tötungsfall. Auch hier entschied die höchste deutsche Gerichtsinstanz, dass die Immunität eines Diplomaten ein unantastbares Gut ist, bei dem es keine Ausnahmen geben dürfe. Würde daran gerüttelt, so hätte dies verheerende Folgen für die internationalen Beziehungen. Jeder Staat würde dann die Immunität nach eigenem Gutdünken auslegen, eine diplomatische Arbeit würde unmöglich gemacht. Der Diplomatenanwalt fügte dem hinzu, es handle sich um eine einseitige Darstellung der Frau. Doch würde man den Diplomaten anhören, so wäre dies schon eine Verletzung seiner Immunität. Ansonsten empfehle er der indonesischen Hausangestellten, in Saudi-Arabien zu klagen.
Die Klägeranwälte betonten, dass sie nicht die Absicht hätten, an der Immunität zu rütteln. Andererseits dürfe es nicht sein, dass auf deutschem Boden gravierende Menschenrechtsverletzungen geschehen und die Frau auf ihren Forderungen sitzen bleibe. Diese Lücke im Gesetz müsse durch den Gesetzgeber geschlossen werden.
Nachdem das Berliner Arbeitsgericht im Juni die Klage nach Paragraf 18 des Gerichtsverfassungsgesetzes für unzulässig abgewiesen hatte, ließ auch die höhere Instanz, das Landesarbeitsgericht, keine Zweifel aufkommen, dass es für den Fall nicht zuständig ist. Deshalb wollen die Klägeranwälte mit ihrem Anliegen nun zum Bundesverfassungsgericht.
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