Ein langer Weg
Die ivorische Wirtschaft steckt noch im Griff des Konflikts
Die Kakaoernte in der Elfenbeinküste ist erstaunlicherweise gut ausgefallen. Günstige klimatische Bedingungen machten die ökonomischen Folgen der politischen Krise, die den größten Kakaoexporteur der Welt zu Jahresbeginn erschüttert hatte, zumindest in diesem Sektor wieder wett. Im Vergleich zum Vorfahr stieg die Kakaoproduktion um 25 Prozent, meldete die Kaffee- und Kakao-Vermarktungsgesellschaft Anfang Oktober.
Die umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende November 2010 hatten ein Aufflammen der Gewalt im bürgerkriegszerrütteten westafrikanischen Land ausgelöst. Gezielte Sanktionen und ein Wirtschaftsembargo sollten Druck auf den abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo ausüben, der sich an die Macht klammerte.
Erst nachdem Gbagbo am 11. April festgenommen wurde, nahm Alassane Ouattara, der von der internationalen Gemeinschaft und den westafrikanischen Anrainerstaaten anerkannte Wahlsieger, die Zügel in die Hand. Er verordnete rasch eine Wiederaufnahme der Kakaoexporte und setzte Steuererleichterungen für den Sektor durch, was auch das starke Produktionswachstum der Edelbohnen erklären mag.
Der Wiederaufbau scheint etwas schneller voranzukommen als zunächst gedacht. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hat die Industrieproduktion im September 2011 schon wieder 95 Prozent des Vorjahrniveaus erreicht. Für die gesamte Wirtschaft wird in Folge der Krise dennoch mit einem Rückgang der Produktionsleistung von 5,8 Prozent in 2011 gerechnet.
Der einstige Wirtschaftsriese Westafrikas sieht im regionalen Vergleich besonders blass aus. Westafrika soll dieses Jahr trotz globaler Krisen um vier Prozent wachsen. Das Nachbarland Ghana erwartet dieses Jahr sogar ein Wachstum von mehr als 13 Prozent.
Positive auf die Wirtschaft der Elfenbeinküste sollte die Aufhebung der verbliebenen EU-Sanktionen und die Wiederaufnahme der internationale Hilfe wirken. So hat der IWF gerade 614 Millionen US-Dollar Finanzhilfen zugesagt.
Ungelöste Probleme werfen jedoch weiter ihre Schatten auf die Wirtschaft und den Wiederaufbau. Vor allem die anhaltende Unsicherheit in mehreren Landesteilen lastet auf der Entwicklung. Im Westen des Landes marodieren immer noch bewaffnete Anhänger Gbagbos und liberianische Söldner. Die humanitäre Lage bleibt insbesondere dort angespannt. Die UN warnt hier weiter vor einer akuten Nahrungsmittelkrise.
Die neue ivorische Regierung will auch die strukturellen Schwächen der Wirtschaft angehen, wie die hohe Korruption. Zudem soll die seit Jahren geplante Reform des Kakao-Sektors vorangetrieben werden. Reformpläne - mit dem Ziel höherer Produktivität und besserer Qualität der Bohnen - soll noch im Oktober bekannt gegeben werden. Die Regierung möchte, dass die Hälfte der geernteten Bohnen im Land selbst verarbeit wird. Zur Zeit werden nur 1,5 Prozent der Ernte in der Elfenbeinküste verarbeitet Der Anteil der Elfenbeinküste am Kakao-Weltmarkt beträgt rund 35 Prozent. Zusammen mit dem Kaffee werden in diesen beiden Bereichen etwa 20 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.
Auch im Alltag scheint die Krise überwunden. Das Warenangebot in den Läden und auf den Märkten der Städte ist wieder reichlich. Die Preise sind aber weiterhin hoch. Die Kaufkraft der Menschen ist deutlich gesunken. Allein in der Hafenstadt Abidjan unterstützt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen um 54 000 Menschen mit Geld, damit sie sich mit ausreichend Nahrungsmittel versorgen können.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!