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Parteitag der LINKEN

Parteiprogramm mit 97 Prozent Zustimmung beschlossen

  • Lesedauer: 17 Min.
Vier Jahre nach ihrer Gründung hat die Linke ihr erstes Grundsatzprogramm. Beim Erfurter Parteitag stimmten am Sonntag 503 Delegierte für den Entwurf des Parteivorstands, 4 waren dagegen, 12 enthielten sich. Das entspricht einer Zustimmung von 96,9 Prozent. Damit wurde die von Partei- und Fraktionsführung ausgegebene Zielmarke von 90 Prozent deutlich übertroffen.
+++Erfurt 23.10., 16.00 Uhr

(nd/uka). Gegen 15.30 Uhr ist der Parteitag – offiziell die 2. Tagung des 2. Parteitages – am Sonntag beendet. Die letzten Klänge der Internationale begleiten die ersten Delegierten auf ihrem Weg nach draußen. Nach der Rede von Oskar Lafontaine hat sich der Parteitag mit Satzungsänderungen beschäftigt. Werner Dreibus verabschiedet die Delegierten im Auftrag der Vorsitzenden Lötzsch und Ernst in den politischen Alltag. "Diese Welt wird unser sein", schmettert jemand die Internationale weiter, als der Saal seinen Gesang schon eingestellt hat.


+++Erfurt, 23.10., 13.15 Uhr

(nd/uka). In einer fulminanten Rede hat Oskar Lafontaine am Mittag bei den Delegierten in Erfurt Begeisterungstürme ausgelöst. Er rief die Partei zum aufrechten Gang auf. Die anderen Parteien hätten die Konzepte der Linken kritisiert und dann übernommen – so seien der Keynesianismus und die Bankenverstaatlichung Forderungen, die die Neoliberalen erst verteufelt und später übernommen hätten, als die Krise keinen anderen Ausweg mehr ließ.

„Wir sollten stolz darauf sein", so Lafontaine. Zum Thema der Rekapitalisierung der Banken wandte sich Lafontaine dagegen, die Verluste den Steuerzahlern aufzubürden. Wenn schon die Verluste, dann sollten auch die Gewinne an den Steuerzahler gehen. Namentlich richtete Lafontaine seine Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy – „all die Unfähigen, die die Steuerzahler heranziehen, wo sie doch die Ganoven heranziehen müssten". Lafontaine ging auch auf die internen Debatten der letzten Monate ein. Maßlos geärgert habe er sich über die Debatte zum Antisemitismus. Die LINKE habe doch keine Belehrungen der Öffentlichkeit nötig. „Ich bin überzeugt, wenn der Faschismus wieder einmal sein Haupt erheben würde, wäre es nicht der Springer-Verlag, nicht die anderen Parteien, die gegen ihn kämpfen würden, dann wäre es die LINKE, die Widerstand leisten würde!" Zur Kritik an der Parteiführung meinte Lafontaine unter dem Beifall des Parteitages: „Wenn die Führung angegriffen wird, dann braucht die Führung die Solidarität der gesamten Partei – auch dann, wenn sie Fehler macht." Lafontaine bekräftigte die Maxime „Von deutschem Boden soll niemals wieder Krieg ausgehen". Er lobte die Debatte zum Programm und ihr Ergebnis zum Punkt der internationalen Sicherheitspolitik. Man habe sehr fair miteinander diskutiert. Seiner Idee eines Willy-Brandt-Korps zuzustimmen, habe sich mancher einen Ruck geben müssen, räumte er ein. Gewaltverzicht sei das Mittel zum Frieden in der Welt, bekräftigte er seinen Vorschlag, der nun Bestandteil des Programms ist.

+++Erfurt, 23.10., 11.45 Uhr

Das Programm ist beschlossen

(nd/uka). Jubel, rhythmisches Klatschen, als klar wird, dass alle Befürchtungen nichtig, dass alle Hoffnungen erfüllt, wenn nicht übererfüllt sind: Der Parteitag der LINKEN in Erfurt hat das neue Grundsatzprogramm mit einer überdeutlichen Mehrheit beschlossen. 503 und damit 96,9 Prozent der Delegierten stimmten zu, es gibt vier Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen. Unter den Enthaltungen ist auch die der Parteivizevorsitzenden Halina Wawzyniak. Sie zählt zum sogenannten Reformerflügel der Partei.

Zuvor hatte der Parteivorsitzende Klaus Ernst an die Delegierten appelliert, den vorliegenden Entwurf geschlossen zu verabschieden. „Unser Programm ist mehr als die Hitsammlung aus den Quellparteien. Wir beschließen heute etwas grundsätzlich Neues", so Ernst in seiner Rede. Mit dem Programm gebe die LINKE all jenen eine Ohrfeige, die der Partei seit Jahren das Scheitern voraussagten. „Unsere Geschichte und Biografie sind verschieden, und doch sind wir alle in der LINKEN gelandet", stellte Ernst fest. Dass dies über alle unterschiedlichen Auffassungen und Vorstellungen hinweg gelungen sei, damit stelle die Linkspartei ein Vorbild in Europa dar. „Wir kriegen hier etwas Besonderes hin", so Ernst. Der Parteichef, der immer wieder Gegenstand der Kritik aus Teilen der Partei ist, wies darauf hin, dass „nicht jede Debatte im letzten Jahr" identitätsstiftend gewesen sei. „Der Gegner sitzt nicht in der Partei, der sitzt immer außerhalb der Partei". Damit bekräftigte Ernst die Worte der Kovorsitzenden Gesine Lötzsch, die am Freitag gesagt hatte, die Empörung über Genossen der eigenen Partei dürfe nie größer sein als die Empörung über die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die LINKE verändern will.
Im Namen auch von Lötzsch, die wie er selbst Gegenstand von innerparteilicher Kritik ist, erklärte er, „wir sind da, wir sind immer noch da, und damit kein Missverständnis aufkommt, wir bleiben auch da".
Ernst identifizierte das neue Programm als eine Kampfansage an die herrschenden Verhältnisse. Die LINKE sei die einzige Partei, die eine schlüssige Alternative zur Weltwirtschaftskrise bereithalte. Wenn es die Partei bisher nicht gäbe, „jetzt müssten wir sie neu erfinden". Mit der DDR sei nicht die Idee des demokratischen Sozialismus untergegangen, so Ernst.


+++Erfurt, 22.10., 20.00 Uhr

Linke für bezahlbare Lyrik

(ND/uka). Am Abend ist der Fortgang des Parteitages einigermaßen klar. Der für den Abend geplante Tanzabend wurde angesichts der überfrachteten Planung schon am Vormittag geopfert, die Tagesordnung wurde überdies in heißer Debatte geändert. Nun wird Klaus Ernst, der Parteivorsitzende, am Sonntag statt am Sonnabend reden. Er wird mit seinem Auftritt die Programmdebatte beenden, danach wird die Abstimmung über das Programm erfolgen - der Höhepunkt des Parteitages. Wie viel Zeit bleiben wird, um wie eigentlich vorgesehen noch über Satzungsänderungen zu reden, steht in den Sternen. Der Freitag klingt mit einem Gedicht aus. Der Parteitag beschließt, das Brecht-Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters" der Präambel voranzustellen. Es handelt sich dabei um eine Art Vorratsbeschluss, denn er ist an den Vorbehalt geknüpft, dass die Rechte an dem Gedicht erworben werden können und bezahlbar sind. Die Verhandlungen liefen noch, heißt es leicht unbestimmt. Die Ablehnung jeder Art von Islamfeindlichkeit in die Präambel aufzunehmen, dort, wo auch Kriegstreiberei, Antisemitismus, Rassismus und nationalem Dünkel der Kampf angesagt werden, braucht am Abend eine Auszählung, so knapp sind die Mehrheitsverhältnisse. Am Ende sind es rund 50 Delegierte mehr, die für die Aufnahme auch der Islamfeindlichkeit stimmten. Am Schluss dann noch die Mitteilung: Die Verhandlungen über die Rechte zum Druck des Brecht-Gedichts waren von Erfolg gekrönt. Das Gedicht darf ins Programm.

+++ Erfurt, 22.10., 16.30 Uhr

Gysi bringt den Saal zum Kochen

(ND/uka). Gregor Gysi hat es einmal mehr geschafft, die Delegierten eines Parteitages in euphorische Zustimmung zu versetzen. Er beginnt sanft – mit einem Dank an die Mitglieder der Programmkommission, an ihre Vorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine, die den ersten Entwurf im März 2010 einbrachten. Und dann an die Redaktionskommission – an Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, die Parteivorsitzenden, an Matthias Höhn, Katja Kipping, Ralf Krämer und Sahra Wagenknecht. Allerdings, so meint Gysi, wäre es gut, den Programmtext für die Menschen in Prosa zu übersetzen. Beim nächsten Mal wolle man Menschen, die sowas können, um Hilfe bitten – Daniela Dahn vielleicht. „Wir müssen ja nicht alles selbst können", so Gysi. Man müsse nicht nur überzeugende politische Konzepte entwickeln, sondern diese immer auch für die Menschen so übersetzen, dass diese sie verstünden.
Der Bundestags-Fraktionschef redet sich warm. Er verteidigt Oskar Lafontaines Vorschlag, ein Willy-Brandt-Korps in das Programm aufzunehmen. Ja, Brandt habe auch die Berufsverbote mitzuverantworten, aber er habe das später als Fehler bezeichnet. Wie auch seine Zustimmung zum Vietnamkrieg. Brandt sei es gewesen, der Krieg als Ultima irratio bezeichnet habe statt als Ultima ratio. Gysi: „Deshalb gehört er nicht mehr der SPD, ab heute gehört er uns, und darauf bin ich stolz."

Gysi ging auf die monatelangen Querelen in der Partei ein. „Wir hatten in den letzten Monaten zu viel Selbstbeschäftigung!", rief er unter dem Beifall der Delegierten. Wer immer nur Siege einfahren wolle verliere am Ende, wandte er sich an die sogenannten Reformer und Radikalen. Er selbst sei Zentrist, so Gysi. „Nicht weil ich so unentschlossen bin, nicht, weil ich zu allen nett sein will." Sondern weil die eine Seite der SPD zu ähnlich werden könnte und die andere in der Gesellschaft isoliert wäre. „Was bei uns den Reiz ausmacht, ist, das wir beides haben." Das sei eine Sache des Herzens, „man muss es nicht nur sagen, ich muss die anderen auch wollen. Verlören wir eine Gruppe, wären wir in der Gesellschaft irrelevant, deshalb bin ich Zentrist. Weil ich beide halten will."
Die SPD sei nicht der Feind der LINKEN, so Gysi. Eine solche Haltung wäre schon mit Blick auf die Geschichte ein Fehler. „Wir sind sogar für Zusammenarbeit." Die SPD müsste sich dafür allerdings ändern. Sie müsste wieder sozial und demokratisch werden. Sie müsste ihre Kriegspolitik zurücknehmen, die Agendapolitik beerdigen – „und zwar mit einer Entschuldigung". Obwohl die Stimmung in der Bevölkerung kapitalismuskritisch sei wie seit 1945 nicht mehr, habe die LINKE nicht davon profitieren können. „Nicht wir hatten die Kraft den Kapitalismus in Frage zu stellen, das haben die Banken getan." Und Gysi an die Partei: „Wir sind verpflichtet, unsere Streitereien ab Montag einzustellen!" Jubelnder Beifall ist das Echo auf die Rede.

Die Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst freuen sich über das Ergebnis der Endabstimmung am 23. Oktober.
Die Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst freuen sich über das Ergebnis der Endabstimmung am 23. Oktober.

+++ Erfurt 22.10.2011 – 15:35 Uhr

Programmentwurf zu NATO und Bundeswehreinsätzen bestätigt

(nd/jrs) Das Kapitel zur NATO und zu Bundeswehreinsätzen bleibt unverändert wie vom Parteivorstand in seinem Programmentwurf beantragt (siehe Meldung von 12:30 Uhr). Der Parteitag lehnte es am Samstagnachmittag mit großer Mehrheit ab, eine Debatte über Veränderungen an diesem im Vorfeld mühsam ausgehandelten Kompromiss zu eröffnen. Nicht zuletzt eine kurze Wortmeldung von Oskar Lafontaine sorgte dabei für eine hohe Zustimmung der Delegierten. Der saarländische Fraktionsvorsitzende sieht die entsprechende Passage als einen zentralen Anker, die Partei zu einen. An jene gewandt, die in dem Entwurf Schlupflöcher befürchten, die Antikriegshaltung der LINKEN aufzuweichen, sagte Lafontaine: „Ihr könnt euch auf mich verlassen. Mit mir wird es keine Schlupflöcher geben."


+++ Erfurt, 22.10., 14.15 Uhr

Europapolitik im Konsens

(ND/uka). Die Umgestaltung der Europäischen Union ist Thema des Themenblocks vor dem der Internationalen und Friedenspolitik. Obwohl Argumente für Änderungen in dringlichen Formulierungen begründet werden, funktioniert das Prinzip der blockweisen Behandlung von Anträgen – Abstimmung oder nicht – reibungslos. Die Mehrheit ist immer der Meinung, dass die Anträge nicht einzeln abgestimmt, mithin gar nicht behandelt werden sollen. Die Formulierungen, wie sie dem Parteitag im Leitantrag des Parteivorstandes vorgelegt worden sind, bleiben unverändert. Dies ist der Weg, die widerstreitenden Auffassungen hier in Erfurt nicht auszutragen, sondern den Kompromiss des Entwurfes zu akzeptieren. Ein Omen auch für den nun folgenden Komplex zu Frieden und Abrüstung? Hier sind die Emotionen bereits im Vorfeld immer wieder sichtbar geworden, wenn Berührungspunkte in anderen Themenkomplexen ausgemacht wurden.

+++ Erfurt 21.10.2010 – 12:30 Uhr

Vor der Debatte um Bundeswehreinsätze und NATO

(nd/jrs) Die zunächst noch für Freitagabend geplante Programmdebatte um die NATO und Auslandseinsätze der Bundeswehr wird voraussichtlich gegen 13 Uhr am heutigen Samstag beginnen. Die Ausgangssituation ist folgende:

Der Parteivorstand hat sich im Programmentwurf darauf verständigt, die „Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands" zu fordern. Zur Frage des Verbleibs der Bundesrepublik in der NATO bleibt der Entwurf indifferent: „Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird." Bezüglich von Auslandseinsätzen heißt es im Entwurf: „Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta."

Das Antragsheft weist insgesamt 12 Anträge aus, die auf einen Austritt der Bundesrepublik aus der NATO zielen. In weiteren Anträgen geht es darum, ob die LINKE bei ihrer Ablehnung auf „Kampfeinsätze", „Militäreinsätze", „Auslandseinsätze" oder generell „Einsätze" fokussiert. Ein Antrag nennt statt einer „Auflsöung" eine „Überwindung" der NATO als Ziel, ein anderer will ausdrücklich sicherstellen, dass die LINKE „UN-mandatierten Einsätzen der Bundeswehr zur Vermeidung von Völkermord und Linderung von Hungersnöten" zustimmt.


+++ Erfurt, 22.10., 11.45 Uhr

Zwischen Schmerz und Heiterkeit

(ND/uka). Das Niederdeutsche als schützenswertes Kulturgut ins Programm aufzunehmen, ist am Sonnabendvormittag vom Parteitag in Erfurt abgelehnt worden. In der Begründung der Gegenrede war von einem drohenden Integrationsproblem die Rede gewesen, die für den Antragsteller schmerzliche Abstimmung ging in allgemeiner Heiterkeit unter. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Programmparteitag gegenüber seiner Zeitplanung bereits drei Stunden im Rückstand.

Der Zeitverzug lag freilich nicht an der Zahl von Anträgen mit peripherer Bedeutung, sondern an der Zahl der Anträge insgesamt. Von knapp 1400 insgesamt waren zu Parteitagsbeginn rund 700 übriggeblieben, die anderen waren von der Redaktionskommission eingearbeitet oder zusammengefasst worden. Die Partei hat nicht nur das Bedürfnis zur Selbstverständigung, sondern diese auch nötig, wie die Debatten der letzten Monate gezeigt hat und wie es bei der Annahme eines neuen Programms auch erwartet werden kann.

So war der Parteitag gegen Vormittag beim Abschnitt Bildung angelangt, hinter ihm lagen die Abstimmungen über den ersten Debattenblock „Demokratie und Finanzkrise", der zur „Guten Arbeit und sozialen Gerechtigkeit" neigte sich dem Ende zu. Damit näherte man sich der mit Spannung erwarteten Auseinandersetzung zum Thema Frieden und internationale Sicherheitspolitik.

+++ Erfurt 21.10.2011 - 21:30 Uhr

Abstimmungsverfahren und Geschäftsordnungsanträge

(ND-uka). Um etwa anderthalb Stunden hat der Parteitag gegenüber seiner Zeitplanung verloren, als gegen sieben am Abend das Präsidium den Vorschlag macht, das Abstimmungsverfahren zu verkürzen. Der Parteitag soll über Gruppen von Anträgen jeweils entscheiden, ob er sie behandeln will oder nicht. Die Delegierten stimmen leicht verunsichert zu, zudem vereinbaren sie, jeweils die Fürrede wegzulassen und allein die Gegenrede zuzulassen. Nachdem klar wird, dass nun gar kein Antrag mehr abgestimmt wird, weil sich jeweils nur eine Minderheit, vermutlich die mutmaßlichen Antragsteller selbst, dafür bereit findet, wird die Geschäftsordnung mehrmals geändert. Erst werden die Anträge einzeln wenigstens genannt, bevor über ihre Nichtbehandlung entschieden wird. Dann stimmt der Parteitag dem Antrag von Katharina Dahme vom Jugendverband Solid zu, wenigstens Für- und Gegenreden anzuhören, bevor über die Befassung entschieden wird. Gegen halb neun verfährt der Parteitag schließlich wie beschlossen, wie groß der Zeitgewinn ist, kann wohl keiner so recht sagen.

Entschieden ist zu diesem Zeitpunkt über einen Teil des ersten von vier thematischen Debattenblöcken, der mit "Demokratie und Finanzkrise" überschrieben ist. Der Parteitag hat dabei Veränderungen im Programmentwurf vorgenommen, die Geschlechterverhältnisse, sozialökologischen Umbau oder auch die Beurteilung des Neoliberalismus enthalten.

+++ Erfurt 21.10.2011 - 14:15 Uhr

Parteitag solidarisiert sich mit Occupy-Bewegung

(nd/jrs) In einer Resolution des Parteivorstandes, die vom Parteitag per Akklamation angenommen wurde, solidarisiert sich die LINKE mit den weltweiten Protesten der Occupy-Bewegung. Den Spekulanten der Finanzmafia müsse „das Handwerk gelegt werden", heißt es darin. Die Euro-Rettung in ihrer jetzigen Form sei für Griechenland „ein weiterer Rettungsring aus Blei" und „letztlich ein Angriff auf die Demokratie in Europa". Die LINKE fordert, im kommenden Jahr eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, wozu es eine gemeinsame Initiative der linken Fraktionen in der französischen Nationalversammlung und im Bundestag gibt, sowie eine wirksame europäische Vermögensabgabe. Das europäische Banken- und Finanzsystem müsse dauerhaft unter öffentliche Kontrolle genommen werden. Unter dem Begriff eines „Neustarts der EU" will die LINKE eine „Revision der neoliberalen, militaristischen und undemokratischen Bestimmungen der europäischen Verträge" erreichen. „Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein", heißt es abschließend in der Resolution.

+++ Erfurt 21.10.2011 - 13:32 Uhr

DGB-Vorsitzender Michael Sommer schickte einen Brief

(nd/jrs) In einem auf dem Parteitag verlesenen Grußwort sprach der DGB-Vorsitzende Michael Sommer von der unmittelbaren Gefahr einer Weltwirtschaftskrise. Die Regierung habe bislang in der Krisenbekämpfung versagt. Der soziale und wirtschaftliche Friede in Europa sei bedroht. Die Finanzmärkte müssten demokratischer Kontrolle unterworfen werden. Sommer sprach sich u.a. für eine Finanztransaktionssteuer aus.

Die schriftliche Botschaft des DGB-Vorsitzenden hatte weitgehend den Charakter einer Pressemitteilung zur Wirtschafts- und Finanzkrise. Dass es sich um einen Brief an den Parteitag der LINKEN handelte, war lediglich durch die Anrede an die beiden Parteivorsitzenden erkennbar. Im übrigen vermied Sommer es, irgendeine Übereinstimmung gewerkschaftlicher Anliegen mit denen der LINKEN oder bei Protestaktionen erkennen zu lassen. Sein Brief mündete in einem allgemeinen Bekenntnis, dass die Gewerkschaften verlässliche Partner in der Politik bräuchten und ihre politische Unabhängigkeit wahren wollen.

+++ Erfurt 21.10.2011 - 13:25 Uhr

Eröffnungsrede Gesine Lötzsch

(nd-Lambeck) Am Freitagmittag wandte die Ko-Vorsitzende der LINKEN, Gesine Lötzsch, mit einer kämpferischen Eröffnungsrede an die Delegierten in der Erfurter Messehalle. "Dieses Programm wird das Land verändern", prophezeite Lötzsch. Sie verwies in ihrer halbstündigen Rede auf die zentralen Anliegen der LINKEN: Diese Gesellschaft "gerechter, solidarischer, friedlicher und würdevoller machen". Dazu gehöre ein klares Bekenntnis zu solidarischen Sicherungssystemen ebenso wie eine eindeutiger Antikriegskurs.
"Für uns ist der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte, darin unterscheiden wir uns von allen anderen Parteien."Wenn sich die derzeitige Empörung der Menschen über Banken und Spekultanten nicht in den Wahlergebnissen für die LINKE widerspiegele, so Lötzsch, dann auch "weil die Menschen uns nicht zutrauen, dass wir die Gesellschaft verändern können". Die Parteivorsitzende forderte mehr Solidarität - auch innerhalb der Partei. „Die Empörung über andere Genossen sollte nie größer sein, als die über die Verhältnisse."

+++ Erfurt 21.10.2010 – 12:38 Uhr

Grußwort des Erfurter Bürgermeisters

Der Erfurter Bürgermeister Andreas Bausewein (SPD) freute sich in einem Grußwort, dass der Parteitag der LINKEN in Erfurt stattfinde. In der thüringischen Landeshauptstadt gebe es eine linke Ratsmehrheit. Auch Bausewein hob das Erfurter Programm der Sozialdemokratie von 1891 hervor. Die meisten darin formulierten Forderungen – wie die Abschaffung der Todesstrafe – seien inzwischen verwirklicht. Dies könne die LINKE doch als gutes Omen verstehen.
nd/jrs

+++ 21.10.2011 - 12:05 Uhr

Parteitag der LINKEN in Erfurt eröffnet

Knut Korschewsky, Landesvorsitzender der LINKEN in Thüringen, erinnerte in seinem Grußwort bei der Eröffnung des Parteitages an historische Stationen der sozialistischen Bewegung. Das Erfurter Programm der Sozialdemokratie 1891 habe erstmals den Kampf zur Überwindung des Kapitalismus und den Kampf zur Überwindung der Unterdrückung der Frauen miteinander verbunden. Vom jetzigen Parteitag der LINKEN in Erfurt erhoffe er sich, dass er in späterer Geschichtsschreibung als jener gelte, der die Grundlagen für die Verwirklichung des demokratischen Sozialismus gelegt habe. Der Programmparteitag sei der wichtigste Schritt der LINKEN nach ihrer Gründung. Bei allen Grundsatzdiskussionen sei die entscheidende Frage für die LINKE heute jedoch: Wie werden wir vor Ort noch besser handlungs- und politikfähig? Korschewsky mahnte die Delegierten, es gehe nicht darum, dass einzelne Strömungen als Gewinner oder Verlierer aus der Programmdebatte herausgehen.

Als Vorsitzender des eröffnenden Parteitagspräsidiums stellte Ulrich Maurer nach dem Grußwort von Knut Korschewsky fest, dass von den 570 Delegierten 391 sich bis 11:20 Uhr angemeldet hätten. Damit sei der Parteitag mit 68,6 Prozent Anwesenheit der Delegierten beschlussfähig.
nd/jrs


+++ Berlin 20.10.2011 - 19:00 Uhr

Die Führungsspitze der Linken erhofft sich vom Erfurter Parteitag ein Signal der Geschlossenheit. Trotz aller Meinungsunterschiede bei den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Linken rechnet Parteichef Klaus Ernst mit einer 90-prozentigen Zustimmung zum Parteiprogramm. "Die Linke ist in den Grundsätzen einig", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Ernst erhofft sich nach Verabschiedung des Programms mehr inhaltliche Klarheit. "Das ist die Geschäftsgrundlage für alle in der Partei und in der Führung. Alle sind künftig auf das Programm verpflichtet."
Der Vorstandsentwurf umreiße die Vision einer demokratischen und gerechten Gesellschaft. Die Linke wolle den Leuten eine Stimme geben, die in anderen Parteien keine mehr hätten. Mit Personaldebatten rechnet Ernst in Erfurt nicht. "Ich glaube, dass die Leute die Frage, wie wir unsere Vorsitzenden wählen, nicht ganz so spannend finden wie die Frage, wie hoch ihre Rente ist."


Das »nd« berichtet vor Ort vom Parteitag der Linken in Erfurt. Fokus sind die Debatten zu Demokratie und Finanzkrise, sozialer Gerechtigkeit, Friedenspolitik und Abrüstung und gesellschaftlichen Veränderungen. Unter www.nd-aktuell.de/parteitagderlinken finden Sie ständig aktualisierte Informationen zum Parteitag, im Dossier »Wohin des Wegs« finden Sie Reportagen, Interviews und Zusammenfassung der Debatten des Parteitages.

Informationen zum Parteitag:

Die wichtigsten Punkte des Programmentwurfes
www.nd-aktuell.de/parteitagderlinken
www.nd-aktuell.de/wohindeswegs

Livestream der Partei DIE LINKE:
http://livestream.die-linke.de
Der ehemalige Parteivorsitzende Oskar Lafontaine ruft in seiner Rede vor den Parteitags-Delegierten am 23. Oktober 2011 in Erfurt die Linken zu mehr Selbstbewusstsein auf.
Der ehemalige Parteivorsitzende Oskar Lafontaine ruft in seiner Rede vor den Parteitags-Delegierten am 23. Oktober 2011 in Erfurt die Linken zu mehr Selbstbewusstsein auf.
Rede von Gregor Gysi auf dem Erfurter Parteitag Rede von Gesine Lötzsch auf dem Erfurter Parteitag
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