Hier darf jedes Kind mitspielen

Nach dem Do-It-Yourself-Prinzip gründeten Potsdamer Eltern einen Fußballverein mit Bezug zur lokalen Tradition

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf einem Bolzplatz wurde sie wieder zum Leben erweckt, die Geschichte des SV Concordia Nowawes als Fußballverein im Herzen der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdams. Denn als Eltern fußballbegeisterter Kinder nicht den passenden Klub für ihre Sprösslinge fanden, gründeten sie den Sportverein 100 Jahre nach seiner ersten Entstehung im Jahr 2006 einfach neu. Inzwischen spielen mehr als 100 Kinder in Babelsberg auf ihrem eigenen Bolzplatz und weiteren städtischen Feldern Fußball ohne Leistungsdruck.

Denn »Fußball soll Spaß machen« heißt es bei Concordia Nowawes. Und den Kindern bei der Entwicklung zu emanzipierten, selbstbewussten Persönlichkeiten helfen. Diese Philosophie setzen die Trainer und Eltern auf dem Rasen auf mehrere Weise um. »Jeder soll regelmäßig spielen, auch auf Kosten des Erfolgs«, sagt Alexander Kallenbach, der erste Vorsitzende. Kinder, die bei anderen Vereinen nur auf der Bank säßen, seien irgendwann frustriert. »Es ist schlimm für Kinder, wenn sie hören, dass sie sich einen anderen Verein suchen sollen«, berichtet Kallenbach Erfahrungen vieler Eltern, die ihren Nachwuchs bei Concordia angemeldet haben. Zudem sollen die Kinder solange wie möglich zusammenspielen. »Wir haben deshalb Jahrgangsmannschaften, in denen die Sieben- bis Zehnjährigen auch als Jungen und Mädchen zusammenbleiben«, erklärt der Jugendkoordinator Lutz Boede.

Bei dem Babelsberger Klub geht es aber nicht nur um den Sport. Der Verein will auch eine Plattform für »vielseitige soziale Interaktion« bieten. Das heißt nach Kallenbach, es werden regelmäßig Feste für die ganze Familie organisiert und untereinander Unterstützung gegeben. »Wir wollen im Verein denen helfen, die es zum Beispiel wegen finanzieller Benachteiligung schwerer haben«, so Kallenbach. Wenn jemand die Kosten für ein Trainingslager nicht bewältigen könne, würden andere mit einspringen. So besinnen sich die Verantwortlichen der Tradition von Concordia Nowawes 1906, das nach der Machtübernahme der Nazis verboten wurde, weil viele Mitglieder der KPD nahe standen. Zwar ist Concordia heute kein Arbeiter-Fußballklub, aber soziales Engagement spiele eine wichtige Rolle.

Nowawes ist der inzwischen historische Name eines Teils von Babelsberg, der von Webern aus Böhmen »Neues Dorf« genannt wurde. Die Bezeichnung wird heute nicht nur für den Verein Concordia Nowawes benutzt. Schon seit 2005 gibt es eine Stadtteilkneipe mit dem Namen, deren Betreiber sich auch bei Concordia engagieren.

Auch im Namen des Bolzplatzes von Concordia lebt die böhmische Entlehnung fort. Die »NowaWiese« ist zum zentralen Treffpunkt der Kinder und Eltern geworden. Dies jedoch aus einer Not heraus. Denn in Potsdam mangelt es an Sportanlagen. Das führen viele Bürger der Stadt auf den restriktiven Umgang mit Frei- und Grünflächen zurück, vor allem durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg. Sie unterhält unter anderem Sanssouci und den Park Babelsberg. Auf den Wiesen der Anlagen sind »grobe Ballsportarten« verboten, teilweise sogar sie zu betreten. »Der Park ist schön, aber man kann die Regularien auch den Bedürfnissen der Bevölkerung anpassen«, meint Kallenbach und spielt damit auf die Auseinandersetzungen mit der Stiftung wegen neuer Sportanalgen am Rande des Babelsberger Parks an.

Den Bolzplatz »NowaWiese« musste sich der Verein erst politisch erkämpfen. Nach einer öffentlichkeitswirksamen Besetzung der Wiese an der Nutheschnellstraße vor drei Jahren und der Errichtung eines einfachen Fußballplatzes erarbeiteten Concordia-Mitglieder ein Konzept, über das die Potsdamer Bevölkerung beim Bürgerhaushalt 2011 abstimmen konnte. Mit deutlichem Vorsprung landete der Vorschlag im vergangenen Herbst auf Platz eins. Nach einer Prüfung und der Zusage vom Rathaus könnte der SV Concordia Nowawes bald seine Heimspielstätte bekommen. Damit knüpfen die fußballbegeisterten Concordianer erneut an die Tradition ihres Vereins an. Denn es war der SV Concordia Nowawes 06, der 1924 den ersten richtigen Sportplatz im heutigen Babelsberg anlegte. Auf dem Gelände der alten Baumschule des Babelsberger Parks, wo heute das Karl-Liebknecht-Stadion steht, wurde die Heimspielstätte für den Arbeitersportverein errichtet.

Wenn es nach den Wünschen vieler Potsdamer geht, wird aber nicht nur ein Rasenplatz mit Ausstattung geschaffen, sondern das Gelände zur »NowaWiese« gemacht, auf der weitere Flächen für Freizeitsport angelegt werden. Dass die Anwohner dies befürworten würden, zeigten sie bei der Abstimmung über den nächsten Bürgerhaushalt 2012, die diese Woche zu Ende geht. Der Vorschlag für mehr Sport- und Freizeitflächen erhielt bislang knapp 3000 Stimmen und landete auf Platz drei. Zusammen mit dem Kulturzentrum »La Datscha« und der Bürgerinitiative Babelsberger Park will Concordia das Vorhaben in den kommenden Jahren verwirklichen.

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