Alte Kameraden
Ex-Kanzler Helmut Schmidt warb für einen künftigen Kanzler Steinbrück
Berlin (dpa/nd). Offiziell werben der Altkanzler Helmut Schmidt (92) und der ehemalige SPD-Finanzminister Peer Steinbrück (64) derzeit nur für ihr neues Buch, einen Gesprächsband. Doch tatsächlich haben beide mit ihren jüngsten Medienauftritten dafür gesorgt, die Kanzlerkandidatendiskussion in der SPD neu zu entfachen.
Steinbrück und Schmidt waren nicht nur am Sonntag bei »Jauch« zu Gast, sie sind diese Woche auch auf dem Titel des »Spiegel« zu sehen: Der eine Hanseat attestiert dem anderen, der geeignete Kanzlerkandidat der SPD zu sein.
Schmidt macht sich zurzeit offensiv für eine Kanzlerkandidatur des früheren Finanzministers Steinbrück stark und hat mit seinen Äußerungen insbesondere die Jungsozialisten und den linken SPD-Flügel verärgert.
Das SPD-Vorstandsmitglied Ottmar Schreiner sagte etwa der »Saarbrücker Zeitung«: »Peer Steinbrück kann seine Sachkenntnisse auch in anderen Funktionen einbringen.« Der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt teilte dem »Tagesspiegel« mit: »Ich verstehe nicht, was dieser Egotrip zu diesem Zeitpunkt soll. Kanzlerkandidaten werden nicht von Altkanzlern ausgerufen, sondern von der Partei bestimmt.«
Mit Blick auf diese kritischen Stimmen zur Parteinahme des Altkanzlers für Steinbrück meinte der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel: »Es gibt eine große Ruhe und Gelassenheit in der Partei.« Neben Steinbrück gelten auch Gabriel selbst und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als mögliche Kanzlerkandidaten der SPD.
Der konservative Flügel der SPD, der Seeheimer Kreis, befürwortete hingegen Schmidts Werben für Steinbrück. Auch Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid machte sich bei »Bild.de« für den Ex-Finanzminister stark: »Ich halte Peer Steinbrück für einen sehr geeigneten Kanzlerkandidaten.« Gabriel betonte, Steinbrück habe in seiner Zeit als Finanzminister gezeigt, »dass Sozialdemokraten besser mit Geld umgehen können«. Ebenso habe aber auch Steinmeier als Außenminister seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Ihre guten Sympathiewerte hätten auch damit zu tun, »dass die Menschen sich daran erinnern, dass man das Land auch in einer schweren Krise besser regieren kann als Frau Merkel mit den wechselnden FDP-Ansprechpartnern, die sie hat«, sagte Gabriel, dem gestern kein böses Wort über die Offensive Schmidts und Steinbrücks zu entlocken war. Es bleibe dabei: Ende 2012, Anfang 2013 werde er als Parteichef einen Vorschlag zur K-Frage machen - wenn Schwarz-Gelb nicht vorher zerbricht.
»Das ist für die SPD eine ausgesprochen sympathische und hilfreiche Debatte«, erklärte er mit Blick darauf, dass mehreren SPD-Kandidaten zugetraut werde, die Regierung zu führen.
Zum Hinweis von Schmidt im »Spiegel«-Interview, Wahlen würden »in der Mitte der Gesellschaft« gewonnen, meinte Gabriel, die SPD müsse »dafür kämpfen, dass ihre eigenen Überzeugungen in der Mitte der Gesellschaft verankert sind«. Es sei falsch zu glauben, »dass die politische Mitte sich nicht verändert«.
Die LINKE kann sich eine Zusammenarbeit mit einem künftigen Kanzler Steinbrück nicht vorstellen. »Ob die SPD einen notorischen Wahlverlierer aufstellt, ist ihre Sache«, sagte Klaus Ernst, Vorsitzender der LINKEN, der »Passauer Neuen Presse«. »Dass wir mit ihm gut zusammenarbeiten, ist unwahrscheinlich.« In der SPD gewönnen ausgerechnet diejenigen wieder an Macht und Einfluss, »die für Sozialabbau, Rentenkürzungen und Kriegseinsätze stehen«.
Am Sonntag waren der SPD-Altkanzler und Steinbrück zu Gast bei Günther Jauch, wo Schmidt viel rauchte und beim Sinnieren über die Eurokrise von Rauchschwaden umgeben war. Auf die Frage von Jauch, was man machen müsse, um mit fast 93 Jahren noch so viel »geistige Schärfe« zu besitzen, sagte Schmidt: »Man muss ständig gearbeitet haben. Und vor allen Dingen braucht man Zigaretten.«
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