Einseitiger Transfer

  • Birgit Daiber
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Autorin leitet das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Die Autorin leitet das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Der Theaterdonner verraucht über dem Rond Point Schuman in Brüssel, die Ergebnisse des großen Gipfeltreffens liegen vor. Die 17 Euro-Staaten beschlossen den Schuldenschnitt für Griechenland in Höhe von 50 Prozent, weitere 100 Milliarden für das Land, damit der Schuldendienst - an die Banken - bedient werden kann. Der große Rettungsschirm wird als eine Art Rückversicherungsfonds noch weiter aufgebläht, an dem sich internationale Investoren beteiligen sollen und der schließlich als Beschluss eine Erhöhung des Eigenkapitals der Banken auf neun Prozent, die sogenannte Kernkapitalquote, vorsieht.

In welcher Höhe sich die Banken darüber hinaus tatsächlich am Schuldenschnitt beteiligen und inwieweit sie für die Kapitalerhöhung Steuergelder beanspruchen werden, bleibt im Dunkeln. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass es sich hier erneut um eine gigantische Umschuldung zulasten von uns allen, den Bürgerinnen und Bürgern Europas, handelt - ohne auch nur eine Spur von politischer Regelung, die uns vor einer weiteren Zerstörung der Euro-Zone schützen könnte. Heute geht es um Billionen, morgen vielleicht um Trillionen - und dann?

Keine Rede ist mehr davon, dass ein neues System für Staatsanleihen (z.B. Euro-Bonds) innerhalb der Euro-Zone geschaffen werden muss, in dem sich die Euro-Staaten untereinander gegenseitig absichern. Und schon gar nicht mehr wird erwähnt, dass wir uns bereits mitten in einer Transferunion befinden - aber der Transfer findet momentan eben nur als Übereignung der Volksvermögen an das spekulative Kapital statt. Statt dieser Art Transferunion brauchen wir eine Politik des föderalen Ausgleichs und der Rahmensetzung für eine an sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Vernunft und demokratischer Partizipation orientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Auch ist keine Rede mehr von der Regulierung der Finanzmärkte und der Banken. Eine Regulierung der Finanzmärkte ist aber das Mindeste, was wir von einer der Rationalität des Kapitalismus verpflichteten Politik erwarten müssen. Regulierung heißt Finanztransaktionssteuer, heißt Verbot von Leerverkäufen, von Derivaten, heißt Eindämmung von Hedge-Fonds und andere Instrumente. Dies sind sehr sanfte Maßnahmen angesichts der Zerstörungsmacht des spekulativen Finanzkapitalismus, die - momentan - nicht nur die Menschen in Griechenland oder Irland oder Italien hart trifft. Sie ist noch ungleich gewaltiger für die Bevölkerungen in der Dritten Welt, die durch die internationale Spekulation auf Lebensmittel und Rohstoffe in ihren minimalen existenziellen Bedürfnissen bedroht sind.

Keiner und keine derjenigen, die heute unsere Zukunft in Brüssel meistbietend versteigern, kann sich darauf berufen, er oder sie wolle ja so gerne, aber die anderen im EU-Rat würden da nicht mitziehen ... Auch das Argument, man müsse das alles mindestens auf G20-Ebene regeln, gilt nicht mehr. Die EU ist bereits dabei, sich zu zerlegen. Eine gemeinschaftliche europäische Politik muss sich neu konstituieren. Dabei sind die Protestbewegungen, die Indignados und die »Occupy Frankfurt«-Camps ebenso wichtig wie nationale Regulierungspolitiken. Deutschland und einige andere Länder der Euro-Zone haben inzwischen ein Verbot der Leerverkäufe geregelt. Dies ist der Weg, der auch bei anderen Regulierungsinstrumenten offen steht. Nationale Politik muss sich daran messen, inwieweit sie bereit ist, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Dass dabei Großbritannien, wie immer verbissen die Interessen der Londoner City verteidigend, nicht an erster Stelle sein wird, ist klar. Das sollte niemanden überraschen oder behindern.

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