Ein Rauschmittel ist kein Teufelszeug!

  • Martina Bunge
  • Lesedauer: 4 Min.
Martina Bunge,geb. 1951 in Leipzig, ist Mitglied der Bundestagsfraktion der LINKEN. Bis 2009 war sie die Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit.
Martina Bunge,geb. 1951 in Leipzig, ist Mitglied der Bundestagsfraktion der LINKEN. Bis 2009 war sie die Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit.

Wer meine politische Arbeit verfolgt, weiß, dass ich zumeist mit sogenannten seriösen Themen beschäftigt bin, wie Rente oder Gesundheit, und niemand bin, der unüberlegt Positionen bezieht oder durch extreme Überzeugungen auffällt. Und nun unterschreibe ich einen Antrag, der sich langfristig für die Legalisierung von Drogen ausspricht. Das mag zunächst irritieren, aber ich habe dafür mehrere gleichwertige Gründe.

Natürlich will ich nicht, dass Menschen mehr Drogen konsumieren. Alle Drogen, auch Tabak und Alkohol, haben negative gesundheitliche Folgen, machen süchtig und schränken die Handlungsmöglichkeiten ihrer Konsumenten ein. Aber Drogen sind in Deutschland Realität: Über eine Million Menschen sind von Alkohol abhängig, jeder dritte junge Erwachsene hat schon einmal Cannabis konsumiert, regelmäßig konsumieren 3,2 Prozent dieser Altersgruppe Cannabis, 300 000 Menschen sind von sogenannten harten Drogen wie Heroin abhängig.

Ein Ziel gesundheits- und lebensorientierter Politik muss es sein, den Drogenkonsum unnötig zu machen, indem alle Menschen gestärkt werden, damit sie ihren Alltag bewältigen und ihr Leben auch ohne Drogen genießen können. Ich bin davon überzeugt - und die Wissenschaft bestätigt mich -, dass Gesundheitsförderung und Prävention nicht durch Kriminalisierung erreicht oder gestärkt werden. Das Verbot von Drogen hat für Konsumenten und Abhängige erhebliche negative Folgen. Zwar ist der Drogenkonsum an sich nicht strafbar. Da aber der Anbau und Besitz von illegalisierten Drogen strafbar ist, werden Konsumenten von Drogen kriminalisiert oder müssen befürchten, kriminalisiert zu werden. Dies führt zu Anklagen, Gefängnisstrafen und in ein Milieu, in dem nicht nur Drogen gehandelt, sondern auch andere kriminelle Handlungen begangen werden. Wer als Krimineller behandelt wird, bei dem sinkt die Schwelle, kriminelle Handlungen zu begehen. Der hohe Preis verbotener Drogen führt zu Beschaffungskriminalität bei Drogensüchtigen. Auch schädigen Streckmittel und Zusätze die Gesundheit der Konsumenten, sieht man einmal von den gesundheitlichen Folgen der Drogen ab.

Aufgrund der Kriminalisierung der Süchtigen, die zur Folge hat, dass bei ihnen die Kontakte zur Familie und zum Freundeskreis abbrechen und durch Kontakte im Drogenmilieu ersetzt werden, ist es schwieriger, sie zu unterstützen und ihre Abstinenz herbeizuführen. Das Verbot fördert die soziale und gesundheitliche Abwärtsspirale, in die Konsumenten und Abhängige geraten. Die auf die Kriminalisierung zurückzuführenden gesellschaftlichen Folgen gehen aber weit über die Konsumenten hinaus. Sie fördert kriminelle und mafiöse Strukturen. Wer sich auf diesem Markt tummelt, ist qua Definition kriminell. Hohe Gewinnmargen locken Akteure, die bereit sind, auch auf anderen Feldern das Gesetz zu übertreten. So entstehen hohe gesellschaftliche Schäden. Hinzu kommen im Zusammenhang mit verbotenen Drogen die Kosten für Polizei, Strafvollzug, Gerichte etc. von ca. 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Gegenüber diesen enormen Kosten für die Konsumenten und die Gesellschaft müssen wir den Nutzen der Kriminalisierung betrachten. Dieser ist nicht nachweisbar.

So müssen Eltern, die hoffen, dass ihre Kinder durch Verbote besser vor Drogen geschützt sind, leider enttäuscht werden. Für diese berechtigten Ängste ist die Kriminalisierung nur ein Placebo. Vermutlich nimmt kein Mensch infolge der Kriminalisierung weniger Drogen, nur die Folgen sind gravierender. Auch die UN stellen fest, dass die Kriminalisierung nicht zur Reduzierung des Drogenkonsums geführt hat.

Würde nur ein Bruchteil der Fahndungskosten für Gesundheitsförderung und Prävention verwendet, könnte uns das weiterbringen. Die Legalisierung vermehrt nicht den Konsum. Daher müssen die Mutti oder die Oma, die morgens mit dem Kleinen an der Sandkiste im Stadtpark sitzen, keine Angst haben, häufiger gebrauchte Spritzen zu finden. Für den Konsum legaler Drogen würden seltener derartige »heimliche«, spätabendliche Treffpunkte gewählt.

Es ist nicht unsere Absicht, morgen alle Drogen an allen Orten frei verkäuflich zu machen. Aber die Legalisierung ermöglicht eine kontrollierte Abgabe sowie besseren Jugend- und Verbraucher- bzw. Patientenschutz. Es gilt, einen anderen Umgang mit dem Thema Drogen zu ermöglichen und bessere Lösungen für Prävention zu entwickeln, statt an der Kriminalisierung festzuhalten. Dazu müssen wir uns mit den Ursachen des Drogenkonsums beschäftigen, bessere Strategien zum Umgang mit Drogen entwickeln und Konzepte dafür, wie bisher verbotene Drogen erlaubt werden können, ohne dass diese frei gehandelt werden. Es wird Zeit, dass ein neuer rationaler und humaner Ansatz seine Chance erhält.

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