Ein Magdeburger flüchtet, Dresdner bleiben daheim
Auswüchse der Ausschreitungen im Fußball beschäftigen Klubs und Verbände
Kein Tag ohne neue Schreckensmeldung über Gewalt im deutschen Fußball: Jetzt flieht aus Angst sogar der erste Spieler. Ex-Kapitän Daniel Bauer vom Regionalligisten 1. FC Magdeburg hat nach Bedrohungen durch vermummte »Fans« die Stadt verlassen und will über eine Vertragsauflösung verhandeln. »Er kann jetzt auf gar keinen Fall nach Magdeburg zurück«, sagte Bauers Berater Henry Hennig am Montag.
Bauer war am vergangenen Donnerstag vor der Partie gegen den Halleschen FC (0:0) von mehreren mit blauweißen Sturmkappen vermummten Fußballanhängern in seiner Wohnung bedroht worden. Nach Aussagen seines Beraters hätten sie gedroht, wiederzukommen, wenn es gegen Halle schieflaufe. Laut Hennig hat der Spieler keine Strafanzeige gestellt. Die Behörden habe er jedoch bereits vor einigen Wochen eingeschaltet, nachdem er eine schriftliche Morddrohung erhalten hatte.
Magdeburgs Präsident Peter Fechner war noch am vergangenen Donnerstag von Hennig telefonisch über den Vorfall informiert worden. Der Berater gab dem Verein eine Mitschuld: Bauer, der 2009 aus Rovaniemi (Finnland) zum einzigen Europapokalsieger der DDR gekommen war und dort noch einen Vertrag bis Juni 2012 besitzt, habe keine Rückendeckung erhalten von der Klubführung, nachdem dieser sich gegen rüde Attacken der Anhänger wie Bespucken verwahrt hatte.
Derweil hat Zweitligist Dynamo Dresden beschlossen, zum Spiel am 27. November beim FC St. Pauli ohne die eigenen Anhänger zu reisen. »Wir hatten im Sommer den Dialog mit den Fans und haben dort Konsequenzen angekündigt. Die ziehen wir jetzt«, sagte Geschäftsführer Volker Oppitz am Montag in Dresden bei der Vorstellung von Sofortmaßnahmen nach den Ausschreitungen Dresdner Randalierer beim Pokalspiel vergangene Woche in Dortmund. Zusätzlich zu den Sanktionen reagierte der Zweitliga-Neuling präventiv: Neben Jan Männig wird ein zweiter hauptamtlicher Fanbetreuer eingestellt. Darüber hinaus fordert Oppitz Hilfe: »Wir wissen um das Problem und sind dabei auf die Strafverfolgung durch die Polizei und Staatsanwaltschaft angewiesen.«
Die Vereine werden von der zurückkehrenden Gewalt offenbar an ihre Grenzen gedrängt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) stehen am Mittwoch beim »Anti-Gewalt-Gipfel« mit Polizeivertretern in Frankfurt unter Druck, mit schnellen Reaktionen und Maßnahmen die Spirale zu stoppen »Wir beobachten diese Vorgänge mit großer Sorge und nehmen sie sehr ernst«, sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger.
Die Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS) fordert die Einbeziehung der Fans in die Suche nach Lösungen und einen besseren Dialog: »Fußballfans müssen ein Teil der Lösung sein«, sagte KOS-Leiter Michael Gabriel. Natürlich müsse Fehlverhalten sanktioniert werden, aber pauschale Repressionen seien der falsche Weg. Die jüngsten Ausschreitungen sind laut Gabriel alarmierend. Es sei aber falsch, Fans von Auswärtsspielen ihrer Mannschaften aussperren zu wollen. Das würde zu viele Unschuldige treffen.
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