Kein Sommer im Parteivorstand
DGB-Vorsitzender lehnt Einladung der SPD in die Parteiführung ab
Die Zeit heilt alle Wunden, heißt das Sprichwort. Eine besonders schmerzhafte Wunde will der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel nun heilen und hat den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer als kooptiertes, also nicht stimmberechtigtes Mitglied in den Bundesvorstand der Sozialdemokraten eingeladen, berichtete die »Süddeutsche Zeitung«. Künftig sollen DGB-Vorsitzende nach dem Willen Gabriels, so sie Parteimitglied sind, dem SPD-Vorstand automatisch angehören.
Zunächst hatte es am Freitagmorgen geheißen, Sommer habe sich dafür entschieden, dass Angebot anzunehmen. Bislang war das langjährige SPD-Mitglied, wie alle anderen Gewerkschaftsvorsitzenden mit SPD-Parteibuch auch, Mitglied im Parteirat, dem höchsten beratenden Gremium zwischen den Parteitagen. Nachmittags folgte die schriftliche Erklärung des DGB-Vorsitzenden, er habe sich doch dagegen entschieden, in den SPD-Vorstand zu gehen. Weil der Parteirat im Zuge von Reformprozessen in der SPD aufgelöst werden soll, habe er im Vorstand künftig »die Positionen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer« vertreten wollen, schreibt Sommer zur Überlegung, Gabriels Angebot anzunehmen. Die Nachricht habe jedoch zu »Irritationen« geführt, »ob auf diese Weise der Charakter der Einheitsgewerkschaft gewahrt werden kann«. Diffuse Meldungen über ein angeblich angestrebtes Bundestagsmandat für die SPD hätten ebenfalls zu der neuen Entscheidung beigetragen, so Sommer. Diese lautet in klaren Worten: »Um den DGB und die Einheitsgewerkschaft nicht zu beschädigen, erkläre ich hiermit, dass ich für kein Amt in der SPD zur Verfügung stehe.« Er werde aber »selbstverständlich« weiter in Gesprächen mit allen Parteien Gewerkschaftspositionen vertreten.
Gabriel war mit der Einladung Sommers in den Parteivorstand einen großen Schritt auf die Gewerkschaften zugegangen, nachdem mit der Abkehr von der Rente mit 67 oder der Gleichbehandlung von Leiharbeitern zentrale Gewerkschaftsforderungen ihren Eingang in den sozialdemokratischen Themenkatalog gefunden hatten. Die »Agenda 2010« der von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführten rot-grünen Koalition hatte zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratie geführt. Nicht nur Michael Sommer hatte zu Schröders Kritikern gehört. Auch der IG-BAU-Vorsitzende Klaus Wiesehügel hatte sich in den Jahren um 2004, als Hartz IV in Kraft trat, immer wieder kritisch zur SPD geäußert, die nicht nur seiner Meinung nach ihre »Grundwerte verraten« habe. Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender und Grünen-Mitglied, sprach damals von einem »Verarmungsprogramm für Arbeitslose«.
Bei ver.di war die Reaktion auf die aktuellen Annäherungsversuche der SPD freundlich verhalten. »Wir suchen das Gespräch mit allen Parteien, von daher ist es positiv, wenn die Parteien das Gespräch mit uns suchen«, sagte Sprecher Christoph Schmitz gegenüber »nd«.
»Gabriel steht unter Zugzwang«, meint Gero Neugebauer, Parteienforscher von der Freien Universität Berlin. Merkel agiere derzeit wie im Wahlkampf 2009, als sie der SPD nahezu jedes Thema vor der Nase wegschnappte. »Das geht nach dem Prinzip Hase und Igel: Der Hase rennt, und der Igel sitze jedes Mal bereits am Ziel mit den Worten ›Ick bün al dor!‹« Mit der Agenda 2010 habe die SPD »die Gewerkschaften vom Hof getrieben«, so Neugebauer. Die Wiederannäherung sei schon länger das erklärte Ziel von Gabriel, denn »die Gabriel-SPD braucht die Gewerkschaften zur Mobilisierung der Partei und für Kampagnen - wie jede andere SPD vor ihr«. Letztlich gehe es auch darum, die Programmatik für den Wahlkampf zu entwerfen. »Jetzt wird planiert, damit die Wahlkampagne 2012 laufen kann«, sagt Neugebauer.
Werner Dreibus, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei und lange Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Offenbach, nennt das Angebot Gabriels an Sommer einen »Kunstgriff«, um gute Zusammenarbeit öffentlich zu demonstrieren. Für ihn ist es »ein Beweis dafür, wie weit sich die SPD von den Gewerkschaften entfernt hat«. Die SPD habe viel zu tun, »um ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften in Ordnung zu bringen«, so Dreibus, Das müsse aber über die konkrete politische Arbeit geschehen.
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