Ärztegesetz könnte teuer werden

vdek-Chef Thomas Ballast warnt vor höheren Kosten und sieht die Qualität der medizinischen Versorgung gefährdet

  • Lesedauer: 5 Min.
Das Versorgungsstrukturgesetz soll die ärztliche Versorgung verbessern und noch in diesem Monat verabschiedet werden. Sozialverbände, Opposition und gesetzliche Krankenkassen kritisieren das Gesetz. Sie befürchten u.a. höhere Kosten. Mit Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), der Interessenvertretung von 24 Millionen Versicherten in sechs Krankenkassen, sprach Silvia Ottow.
Thomas Ballast
Thomas Ballast

ND: Das Versorgungsgesetz sieht spezialärztliche Versorgung für Menschen mit seltenen Krankheiten vor. Wie soll das aussehen?
Für seltene Erkrankungen und Krankheiten mit besonders schweren Verläufen sollen sowohl Krankenhäuser ambulante Leistungen anbieten als auch niedergelassene Ärzte tätig werden können. Davon verspricht man sich, dass der Übergang zwischen der ambulanten Versorgung und der stationären Versorgung erleichtert wird, und dass Spezialisten für Betroffene leichter erreichbar sind. Das finden wir auch gut.

Doch es gibt ein Aber?
Es gibt ein Aber, denn das Gesetz meint auch alle onkologischen Erkrankungen, die nicht selten sind und für die es schon gute Versorgungsstrukturen gibt. Und es sind auch die ambulanten Operationen davon betroffen, bei denen es nicht zu wenig Angebote gibt. Da eröffnet die Regierung einen neuen Bereich, der sehr teuer werden kann, ohne dass es wirklich zu Versorgungsverbesserungen kommt. Spezialärztliche Behandlung sollte sich auf die tatsächlich seltenen Erkrankungen konzentrieren.

Sie wollten darüber hinaus die Behandlungsqualität im Gesetz verankern?
Wir finden es notwendig, dass in dem Bereich der spezialärztlichen Leistungen gute Qualität besteht. Und im Moment ist vorgesehen, dass jene, die das machen wollen, sich einfach nur bei der zuständigen Landesbehörde anmelden. Niemand überprüft, ob der betreffende Mediziner die Qualität, die er angibt, auch tatsächlich erbringt. Das halten wir für problematisch. Auch die Vergütung ist ungeklärt. Wir möchten medizinische Leistungen nicht doppelt bezahlen, sondern nur da, wo sie auch erbracht werden. Im Moment können neue Leistungen nur im Krankenhaus erprobt werden - bis sie anerkannt sind, dann dürfen sie auch niedergelassene Ärzte übernehmen. Ändert sich das, ist zu befürchten, dass Leistungen angeboten werden, von denen man noch nicht weiß, ob sie tatsächlich was bringen. Das ist eine Gefahr für die Patienten.

Und die Kosten würden ausufern?
Wenn es etwas Gutes, Neues gibt, dann sollen die Kassen das auch bezahlen und dann muss das im Zweifel auch teurer werden. Medizinisch Zweifelhaftes darf dagegen auch nicht bezahlt werden.

Das Gesetz soll auch die ärztliche Versorgung auf dem Land verbessern. Tut es das?
Die Attraktivität für Mediziner auf dem Land wird erhöht. So sollen hier Abrechnungsbeschränkungen entfallen. Alle Leistungen werden voll bezahlt. Nichtärztliches Personal soll leichter eingestellt werden können, und es soll finanzielle Anreize geben. Jedes Jahr drängen ungefähr fünf- bis siebentausend Ärzte neu ins System. Wir müssen Ärzte dafür begeistern, aufs Land zu gehen und sich nicht in den ohnehin schon gut versorgten Regionen niederzulassen.

Die Überversorgung mit medizinischen Angeboten in den großen Städten bleibt bestehen?
Kassenärztliche Vereinigungen können künftig frei werdende Kassenarztsitze aufkaufen. Da das nur freiwillig ist, muss man damit rechnen, dass das eher nicht passieren wird. Der Versuch, in überversorgten Regionen etwas weniger Honorar zu bezahlen - eingeführt von der Vorgängerregierung - soll jetzt komplett gestrichen werden. Damit schwindet die Hoffnung, Honorar auf das Land umzusteuern.

Sozialverbände meinen, dies wäre ein Gesetz für Ärzte.
Soweit würde ich nicht gehen. Das Gesetz kümmert sich um die Weiterentwicklung der Strukturen und enthält vernünftige Ansätze. Das eine ist die Erhöhung der Attraktivität des Tätigwerdens auf dem Land, und das andere ist sicherlich auch der Bereich der spezialärztlichen Versorgung bei seltenen Erkrankungen. Allerdings werden Ärzten auch mehr finanzielle Mittel versprochen, was dazu führen könnte, dass das System teurer wird. Unser Ansatz wäre eher gewesen, wir nehmen was da weg, wo wir ohnehin schon viele Ärzte und viele Ausgaben haben, und steuern das dann um.

Die Insolvenz der BKK Heilberufe macht einen Passus des Gesetzes interessant: Kassen dürfen künftig erst geschlossen werden, wenn alle Versicherten eine neue Kasse haben.
Das ist im Prinzip auch vernünftig. So kann man Vorkommnisse vermeiden, wie wir sie bei der CITY BKK hatten. Es würde auch vieles erleichtern, wenn man dann einen Übergang der ganzen Unterlagen der Versicherten von der alten Kasse zu der neuen Kasse besser organisieren könnte.

Sind auch vdek-Mitgliedskassen von Schließung bedroht?
Ich rechne nicht mehr mit vielen Kassenschließungen und mit keiner in unserem Lager. Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sind für 2012 und voraussichtlich auch für 2013 stabil. Dennoch würden wir es begrüßen, dass man zu dem alten System der Beitragssätze zurückkehrt, in dem die Kassen selbst entscheiden können, welchen Beitragssatz sie erheben, und in dem dieser dann gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert wird.

Wie kann die fusionierte DAK nach erheblichem Mitgliederverlust den Zusatzbeitrag revidieren?
Ich gehe davon aus, dass die zuständige Aufsichtsbehörde das geprüft hat.

Die Chefs der anderen Ersatzkassen anscheinend nicht, wie ihr Beschwerdebrief an das Bundesversicherungsamt zeigt.
Sie haben sich nicht beschwert, sondern aus ihrer Sicht auf besonders prüfungswürdige Tatbestände hingewiesen, die sie bei dieser Fusion beachtenswert finden. Jetzt läuft das Prüfungsverfahren.

Wie viele Krankenkassen werden am Ende übrig bleiben?
Wir haben noch ungefähr 150 gesetzliche Krankenkassen. Etwa 120 davon sind Betriebskrankenkassen. Vor Ort stehen allen Versicherten zehn bis 15 Kassen zur Verfügung: Alle sechs Ersatzkassen - DAK, Barmer GEK, TK, HEK und hkk - , eine AOK und vielleicht noch fünf oder sechs andere Krankenkassen, die für alle geöffnet sind. Ich finde, das sind nicht zu viele.

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