Ökologischer Kurswechsel für die LINKE
Götz Brandt liest in seinem Buch Parteien die Leviten und fordert grüne Wirtschaftspolitik
1975 wurde Götz Brandt als Professor für landwirtschaftlichen Anlagenbau abberufen. »Nicht systemkonformes Verhalten« und »kritische Einstellung zum Hoch- und Fachschulwesen der DDR« wurde ihm vorgeworfen. Nach der Wende rehabilitiert, nimmt er auch heute kein Blatt vor den Mund. Von der eigenen Parteiführung fordert er, die ökologischen Herausforderungen ins Zentrum ihrer Politik zu rücken.
Jetzt erschienen viele seiner Beiträge, in denen er Leitlinien für eine ökologische Linke skizziert, in Buchform. Er zeichnet die umfangreichen Befunde ökologischer Technikkritik nach, nimmt zu den Gefahren von Klimaumbrüchen Stellung und zeigt auf, dass die Grenzen des Wachstums längst überrannt sind. Wer diese Zivilisation nicht der Selbstzerstörung preisgeben will, muss in den Industriestaaten 90 bis 95 Prozent seiner Treibhausgase einsparen. Das wird nicht über Material- und Energieeffizienz allein zu erreichen sein, sondern muss auch Schrumpfungsprozesse der industriellen Infrastruktur einschließen. Dies so deutlich zu sagen, ist ein Verdienst Brandts. Er beklagt, alle Parteien, auch die Grünen, seien so mit dem Abholen von Wählern beschäftigt, dass unbequeme Wahrheiten nur stören.
Vor diesem Hintergrund wird man nach Alternativen zum finanzkapitalistisch geprägten System suchen müssen, nach Optionen die dafür sorgen, dass der Planet nicht bis zum letzten förderbaren Öltropfen ausgequetscht wird oder die Ozeane nicht komplett ausgeräumt werden. Ein Wirtschaftssystem, das auf Nimmersatt gepolt ist, wird diese Zivilisation geradezu hinrichten, da ist Brandt zuzustimmen.
Bei den Alternativen freilich dürfte eine treuhänderische Verwaltung des Eigentums mit ökologischem Ansatz wohl nicht ausreichen, selbst wenn man umfassende Wirtschaftsdemokratie hinzudenkt. Eine Kombination von gesellschaftlichem und Belegschaftseigentum bei klaren Regeln zur Reichtumsbegrenzung könnte immerhin von der Richtung her Aspekte von Ökologie, Motivation, Innovation und Gier in der Wirtschaft austarieren.
Hinzu kommt die Notwendigkeit einer »mittleren« Technik mit menschlichem Maß, die zu einer dezentralisierteren Gesellschaft mit hochentwickeltem naturwissenschaftlichen Können passt. Zu sehr, so erinnert Brandt, ist die moderne Megamaschine zu einem religiösen Fortschrittsglauben ver᠆klärt worden, ohne die totalitären Tendenzen dieser Art von tech᠆nischer Infrastruktur zu bedenken. Die Technikfolgenabschätzung kommt immer zu spät, wie bei Nanotechnologie oder Agrogentechnik zu besichtigen.
Götz Brandt ist immer für eine Überraschung gut. So analysiert er in einem Vortrag die Naturfrage bei Marx, in einem anderen fragt er, wie die Linke den Katechismus der katholischen Kirche bewerten kann, oder er nimmt die Aussagen in einer Broschüre des Bundesumweltministeriums auseinander.
Götz Brandt: Ökologische Umbrüche und Technik. Leitlinien für eine ökologische Linke. Edition Zeitsprung 2011, 300 S., 15,90 €.
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